Leitsatz

  1. Verneinte Notgeschäftsführungsbefugnis des Verwalters zu beiläufig entdeckten Mängeln am Gemeinschaftseigentum eines mehr als 40 Jahre alten Gebäudes
  2. Schadensersatzverpflichtung des Verwalters (zu Umfang, etwaigen Gegenrechten und zur Verjährung)
 

Normenkette

§ 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG

 

Kommentar

  1. Wird bei einer Öffnung des Erdreichs vor dem gemeinschaftlichen, bereits mehr als 40 Jahre alten Gebäude festgestellt, dass einzelne Tonrohre gebrochen sind und eine Außenisolierung des Kellermauerwerks nicht mehr vorhanden ist, so ist eine Auftragserteilung an der Baustelle zu umfassenden Sanierungsarbeiten durch Verlegung einer Drainage und einer Außenisolierung des Kellermauerwerks durch die Notgeschäftsführungskompetenz des Verwalters nach § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG nicht gedeckt. Zum Abschluss eines Werkvertrags namens der Gemeinschaft ist der Verwalter nur berechtigt, wenn es sich um eine dringende Maßnahme zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums handelt. Ansonsten bleibt es bei der alleinigen Entscheidungszuständigkeit der Eigentümerversammlung. Wenn sich der Verwalter über die Beschlusskompetenz der Gemeinschaft hinwegsetzt, verletzt er seine Vertragspflichten und hat Schadensersatz zu leisten, hier hinsichtlich des gesamten Werklohns, den er zu Unrecht aus Mitteln der Gemeinschaft an Unternehmer gezahlt hat. Im vorliegenden Fall war die Maßnahme nicht in einem solchen Maß eilbedürftig, dass eine vorherige Einberufung einer Versammlung nicht möglich gewesen wäre. Eine Gesamtsanierung nach außen geführter Abflussrohre, Schaffung einer Drainage sowie Außenabdichtung des Kellermauerwerks war unter Anlegung eines Sorgfaltsmaßstabs, der von einem erfahrenen Wohnungseigentumsverwalter erwartet werden konnte, zum Zeitpunkt der Auftragserteilung nicht so dringlich, um von unabweisbarer Notgeschäftsführungskompetenz ausgehen zu können. Der Verwalter hätte nach Entdecken der Mängel diese provisorisch beheben können, um zunächst kurzfristig unter möglicher verkürzter Einladungsfrist eine Eigentümerversammlung einberufen zu können (jedenfalls in dieser aus 30 Miteigentümern bestehenden Gemeinschaft).
  2. Was den geltend gemachten Schadensersatzanspruch gegen den Verwalter betrifft, sind im Wege einer Vorteilsausgleichung nur die werkvertraglichen Leistungen gegenzurechnen, die die Gemeinschaft erhalten hat und die Eigentümer selbst im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung zwingend sofort hätten beschließen müssen. Im vorliegenden Fall lässt der bisherige Tatsachenvortrag noch keine abschließende Beurteilung zu, weshalb die Sache auch an das Landgericht zurückzuverweisen war.

    Ob bereicherungsrechtliche Rückerstattung des Schadensersatzbetrags nach § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Variante BGB im Hinblick darauf erfolgen müsste, dass der Wert der Leistungen den Wohnungseigentümern zugute gekommen ist, erscheint fraglich, da als Berechtigter des Schadensersatzanspruchs die Gemeinschaft als teilrechtsfähiger Verband anzusehen ist, und zwar aufgrund BGH vom 2.6.2005 (NJW 2005 S. 2061) und damit auch bereits vor Inkrafttreten der dieser Rechtsprechung inhaltlich entsprechenden Regelung in § 10 Abs. 6 WEG n.F. Die vermögensrechtliche Wertverschiebung, die Gegenstand eines etwaigen Bereicherungsanspruchs sein könnte, tritt jedoch ausschließlich hinsichtlich des gemeinschaftlichen Eigentums am Grundstück ein. Insoweit handelt es sich gerade nicht um Verwaltungsvermögen der teilrechtsfähigen Gemeinschaft, sondern um das persönliche Immobileigentum der Wohnungseigentümer nach ideellen Bruchteilen. Deshalb könnte sich ein denkbarer Bereicherungsanspruch des Verwalters ausschließlich gegen die einzelnen Eigentümer richten.

  3. Was die hier im Verwaltervertrag vereinbarte Verkürzung der Verjährungsfrist auf 2 Jahre ab Entstehung des Anspruchs betrifft, handelt es sich bei diesem Formularvertrag um eine unangemessene Benachteiligung der Eigentümer gemäß § 9 Abs. 1 AGBGB (vgl. bereits Senat, NJW-RR 2001 S. 226). Daraus folgt, dass nach Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB ab 1.1.2002 die Schadensersatzansprüche der neuen Regelverjährung nach § 199 Abs. 1 BGB unterliegen. Diese Frist wird jedoch auch im Rahmen der Übergangsregelung nur in Lauf gesetzt, wenn zum 1.1.2002 auch die subjektiven Voraussetzungen des Verjährungsbeginns, also die Kenntnis der Wohnungseigentümer von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners bereits eingetreten waren (vgl. BGH, NJW 2007 S. 1584). Auch diese Sachverhaltsfragen sind noch von Amts wegen durch das Landgericht aufzuklären.
 

Link zur Entscheidung

OLG Hamm, Beschluss v. 19.7.2011, 15 Wx 120/10

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