Leitsatz

Ein bloßer "Verurteilungskonsens" reicht als Grundlage für einen Schuldspruch nicht aus.

 

Sachverhalt

Der Angeklagte hatte sich in den Jahren 1999 bis 2001 als Unternehmensberater an Steuerhinterziehungen anderweitig Verfolgter beteiligt, die für ihre Unternehmen unrichtige Steuererklärungen eingereicht oder erforderliche Umsatz- und Lohnsteueranmeldungen nicht abgegeben hatten. Hierdurch ist in dem auch dem Angeklagten zugerechneten Tatzeitraum ein Steuerschaden von mehr als 840000 DM entstanden. Das LG hatte den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Der BGH hob diese Verurteilung jetzt auf.

 

Entscheidung

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH hat der Tatrichter für jede Steuerart und jeden Besteuerungszeitraum unter Schuldgesichtspunkten so klare Feststellungen zu treffen, dass sowohl die dem Schuldspruch zugrunde liegenden Besteuerungsgrundlagen als auch die Berechnung der verkürzten Steuern der Höhe nach erkennbar werden. Eine ins Einzelne gehende Berechnungsdarstellung ist nur dann ausnahmsweise entbehrlich, wenn ein sachkundiger Angeklagter, der zur Berechnung der hinterzogenen Steuern in der Lage ist, ein Geständnis abgelegt hat[1].

Diesen Kriterien wurde die angegriffene Entscheidung nicht gerecht. In der Hauptverhandlung hatte der Verteidiger eine Erklärung verlesen, dass sich der Angeklagte "nur aus prozessökonomischen Gründen des Strafverfahrens" gegen die näher bezeichneten Steuerhinterziehungen "nicht weiter verteidigen" werde, er zur Schadenshöhe keine Angaben machen könne und sich vorbehalten würde, im Rahmen eines Finanzgerichtsverfahrens auf einem anderen Sachverhalt zu beharren und diesen vorzutragen, so dass dem Strafurteil keine Beweiskraft zukommen könne. Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung sahen hierin ein für eine Verurteilung ausreichendes Geständnis. Der BGH trat dem entgegen. Da der Angeklagte Umfang und Höhe der hinterzogenen Steuern gerade nicht eingeräumt und sich auch sonst nicht zur Sache eingelassen hat, liegt ein Ausnahmefall, in dem auf die Darstellung der Besteuerungsgrundlagen und der steuerlichen Berechnungen verzichtet werden konnte, nicht vor. Auch nach einer Verständigung im Strafverfahren reicht die bloße übereinstimmende Entschließung aller Beteiligten, eine Verurteilung anzustreben, als Basis für einen Schuldspruch nicht aus[2].

 

Praxishinweis

Bei der neuen Verhandlung muss die Strafkammer die Besteuerungsgrundlagen selbst ermitteln und explizit darlegen. Die Anwendung steuerrechtlicher Vorschriften auf den festgestellten Sachverhalt ist – für die daraus folgende Berechnung der verkürzten Steuern – Rechtsanwendung. Diese obliegt aber allein dem Strafrichter, nicht den als Zeugen gehörten Ermittlungsbeamten oder Beamten der Finanzbehörde. Die bloße Verweisung auf Betriebsprüfungsberichte oder die einfache Übernahme der Ermittlungsergebnisse in das Urteil ist ebenso unzureichend wie die reine Wiedergabe von Aussagen, die Finanzbeamte als Zeugen in der Hauptverhandlung zur Behandlung steuerlicher Fragen gemacht haben[3].

 

Link zur Entscheidung

BGH-Beschluss vom 13.12.2005, 5 StR 427/05

[3] Dazu ausführlich Joecks, in: Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 6. Aufl., München 2005, § 370 Rz. 52ff.

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