Leitsatz
In einem Verfahren über den Aufenthalt von zwei minderjährigen Söhnen getrennt lebender Eltern ging es um die Frage der Bestellung eines Verfahrenspflegers für die Kinder zum einen und den Umfang der erforderlichen Mittlungen des beteiligten Jugendamtes zum anderen.
Sachverhalt
Seit dem Frühjahr 2005 getrennt lebende Eltern stritten sich um den Aufenthalt ihrer in den Jahren 1995 und 1998 geborenen Söhne. Eine Verständigung hierüber war zwischen ihnen nicht möglich, so dass wechselseitige Anträge zum Aufenthaltsbestimmungsrecht beim FamG von ihnen gestellt wurden. Das erstinstanzliche Gericht hat zunächst im Wege der einstweiligen Anordnung und abschließend durch Beschluss das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die beiden Söhne auf den Vater übertragen. Vorher war eine zweimalige Anhörung der Kinder und der Eltern erfolgt. Das beteiligte Jugendamt hatte sich schriftlich geäußert.
Die Kindesmutter legte gegen die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts Beschwerde ein mit dem Ziel der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich.
Das Rechtsmittel führte zur Aufhebung und Zurückweisung des Verfahrens an das erstinstanzliche Gericht.
Entscheidung
Nach Auffassung des OLG litt das erstinstanzliche Verfahren an einer nicht hinreichenden Aufklärung des Sachverhalts.
Nach § 12 FGG habe das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranstalten und die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen. Es sei dabei weder an Beweisanträge der Beteiligten gebunden noch verpflichtet, alle Beweisanträge zu berücksichtigen. Es müsse jedoch von Amts wegen die entscheidungserheblichen Umstände aufklären, soweit das Vorbringen der Beteiligten oder der Sachverhalt dazu Anlass biete.
Von besonderer Bedeutung für die am Kindeswohl zu orientierende Entscheidung sei, dass die Interessen der Kinder in einer Weise in das Verfahren eingebracht würden, die ihrer grundrechtlichen Position hinreichend Rechnung trage (Keidel/Kuntze/Engelhardt, FGG 15. Aufl., § 50 Rz. 1). Die Äußerungen beider Kinder anlässlich ihrer Anhörungen hätten nach Auffassung des OLG die Bestellung eines Verfahrenspflegers gem. § 50 Abs. 2 Nr. 1 FGG erfordert. Die angefochtene Entscheidung enthalte keine Begründung dafür, weswegen hiervon abgesehen worden sei. Ein Verfahrenspfleger könne in der für die Kinder vertrauten Umgebung ohne die Belastung eines Gerichtstermins mit den Kindern ins Gespräch kommen und die Wünsche, Nöte und konkreten Lebensumstände der Kinder erfassen und den Kindeswillen authentisch vortragen. Auf diese Weise werde das AG in die Lage versetzt, sich ein umfassenderes Bild über die Kinder zu machen, als dies nach einer gerichtlichen Anhörung möglich sei, die in dem zu entscheidenden Fall unzweifelhaft belastet gewesen sei. Das OLG sah insoweit weiteren Aufklärungsbedarf.
Dies gelte insbesondere auch deshalb, weil der Bericht des Jugendamtes eine geeignete Grundlage für eine Sorgerechtsentscheidung nicht darstelle.
Das FamG habe unter Beachtung der Anhörungspflicht gem. § 49a Abs. 1 Nr. 7 FGG das zuständige Jugendamt angehört, das insoweit nicht nur die erforderlichen Ermittlungen anzustellen und die ermittelten Tatsachen dem Gericht mitzuteilen habe, sondern aufgrund seiner besonderen Erfahrungen alle für das konkrete Verfahren maßgebenden Aspekte zur Geltung bringen und dem Gericht einen bestimmten Entscheidungsvorschlag unterbreiten solle. Der Bericht des Jugendamtes stelle grundsätzlich dann keine geeignete Grundlage für eine Sorgerechtsentscheidung dar, wenn die örtlichen Verhältnisse sowie das Umfeld beider Elternteile nicht durch einen Hausbesuch geklärt worden seien.
Diesen Anforderungen genüge der Jugendamtsbericht nicht. Er erschöpfe sich in einer Inhaltsangabe der mit den Parteien und den Kindern geführten Gespräche. Eine Auseinandersetzung mit den Vorstellungen der Eltern und den Belagen der Kinder finde nicht statt. Auch werde weder die häusliche Situation der Eltern, noch deren soziales Umfeld in einer nachvollziehbaren Weise beschrieben.
Nach Auffassung des OLG wäre eine umfassendere Aufklärung notwendig gewesen. Die Sache war daher nach dortiger Auffassung zur weiteren sachlichen Aufklärung und zur erneuten Entscheidung an das AG zurückzuverweisen.
Link zur Entscheidung
OLG Stuttgart, Beschluss vom 28.08.2006, 17 UF 151/06