Normenkette
§ 1 Abs. 2 WEG, § 463 S. 2 BGB, § 476 BGB
Kommentar
Der Bundesgerichtshof hat entschieden:
Verschweigt der Verkäufer einer Eigentumswohnung arglistig einen Fehler des gemeinschaftlichen Eigentums (hier: Mängel der Heizungsanlage), so kann der Käufer nach § 463 Satz 2 BGB im Rahmen des "kleinen" Schadenersatzes nicht den gesamten Minderwert des Gemeinschaftseigentums ersetzt verlangen, sondern grundsätzlich nur den Bruchteil, der dem gekauften Sondereigentum an dem gemeinschaftlichen Eigentum zugeordnet ist ( § 1 Abs. 2 WEG). Dies gilt auch dann, wenn der Minderwert anhand der erforderlichen Reparaturkosten berechnet wird.
Eine Wohnungsverwaltungsgesellschaft veräußerte in den Jahren 1980 bis 1984 89 in Eigentumswohnungen umgewandelte Mietwohnungen einer Wohnanlage, die im Jahr 1965 im Wege des sozialen Wohnungsbaus errichtet worden war. Die jeweiligen Kaufverträge enthalten Gewährleistungsausschlussklauseln. Das Heizungssystem der Wohnanlage wies Mängel auf. Hiervon erfuhr die Verkäuferin aufgrund einer TÜV-Untersuchung am 28. 10. 1983. Zu diesem Zeitpunkt war der größte Teil der Kaufverträge bereits beurkundet, nur ein kleiner Teil der Wohnungen wurde noch nach dem 28. 10. 1983 verkauft. Diesen späteren Erwerbern verschwieg die Verkäuferin die ihr jetzt bekannten Mängel der Heizungsanlage.
Ein Ehepaar, das seine Wohnung nach dem 28. 10. 1983 erworben hatte, verklagte die Verkäuferin auf Schadenersatz für die Nichterfüllung. Sie begehrte Zahlung der gesamten zur Beseitigung der Heizungsmängel erforderlichen Kosten. Das Kammergericht hat Ansprüche der Wohnungseigentümer, die vor dem 28. 10. 1983 gekauft hatten, verneint. Die Ansprüche der Wohnungseigentümer, die nach dem 28. 10. 1983 erworben haben, hat es auf den Teil der zur Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten begrenzt, der dem jeweiligen Anteil am gemeinschaftlichen Eigentum entspricht.
Der BGH hat in Übereinstimmung mit dem Kammergericht entschieden:
- Den Wohnungseigentümern, die vor dem 28. 10. 1983 gekauft haben, stehen Gewährleistungsansprüche nicht zu. Der in den Verträgen enthaltene formularmäßige Ausschluss der Gewährleistung ist wirksam. Die Klauseln halten der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz stand.
- Den Ansprüchen der späteren Erwerber stehen die Gewährleistungsausschlüsse nicht entgegen, da diese Käufer von der Verkäuferin arglistig getäuscht worden sind ( § 476 BGB).
- Die Ansprüche der Wohnungseigentümer, die nach dem 28. 10. 1983 gekauft haben, richten sich nach Kaufrecht. Da die Umwandlung der ursprünglichen Mietwohnung in Eigentumswohnungen nach den Feststellungen des KG keine Herstellungspflichten der Verkäuferin ausgelöst hat, kommt eine Anwendung der Werkvertragsvorschriften nicht in Betracht. Dementsprechend kommen auch die Grundsätze zur Haftung des Bauträgers für Baumängel des Gemeinschaftseigentums nach Werkvertragsrecht nicht zur Anwendung.
- Dem arglistig getäuschten Wohnungseigentümer steht ein Anspruch auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung nur nach Maßgabe des jeweiligen Miteigentumsanteils zu: Nach § 463 Satz 2 BGB können die Käufer verlangen, so gestellt zu werden, wie sie stünden, wenn die arglistig verschwiegenen Fehler bei Gefahrübergang nicht vorhanden gewesen wären. Sie können ihren Schadenersatz auch in der Weise berechnen, dass sie die fehlerhafte Sache behalten und den Minderwert beanspruchen (sog. kleiner Schadenersatz). Der Minderwert kann anhand der zur Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten berechnet werden. Handelt es sich - wie hier - um Mängel des gemeinschaftlichen Eigentums (gemeinsame Heizungsanlage), so verteilt sich der insgesamt entstandene Minderwert auf die einzelnen Wohnungseigentümer nach Maßgabe der jeweiligen Anteile am Gemeinschaftseigentum.
Link zur Entscheidung
( BGH, Urteil vom 23.06.1989, V ZR 40/88= WE 1990, 52 mit Anm. Bryck in WE 3/1991, 60 = BauR 2/1990, 221 mit Anm. Schlemminger = JZ 1990, 143 mit Anm. Weitnauer)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Die Entscheidung betrifft einen Kaufvertrag über eine fertiggestellte Immobilie, nicht einen Bauträgervertrag, weil die Verkäuferin keinerlei Herstellungsverpflichtung übernommen hatte. Daher war die strenge Rechtsprechung des VII. Senats des BGH nicht anwendbar, wonach jeder Erwerber einen eigenen Anspruch auf die mängelfreie Errichtung des Gemeinschaftseigentums hat. Insbesondere hatten die Erwerber im vorliegenden Fall keinen Nachbesserungsanspruch. Das Kaufrecht gewährt ihnen lediglich Anspruch auf Minderung, Wandlung bzw. Schadenersatz. Die Begrenzung des Schadenersatzes auf den Miteigentumsanteil gilt nur für den sog. "kleinen" Schadenersatz. Der Erwerber hat jedoch ein Wahlrecht. Er kann auch den "großen" Schadenersatz wählen, d.h. er kann von der Verkäuferin Rücknahme der Eigentumswohnung, Rückzahlung des Kaufpreises sowie Ersatz des durch die Nichterfüllung entstandenen Schadens (z. B. Notarkosten, eventuell Wertdifferenz etc.) fordern. Schließlich hätte dem Erwerber auch noch ein Anspruch auf Wandlung ...