Leitsatz
1. Haben die Parteien eines Gewerbemietvertrags die Höhe der Miete an die – nach Fertigstellung endgültig aufzumessende – Nettogrundfläche nach DIN 277 geknüpft und sind sie bei Vertragsschluss davon ausgegangen, dass die gesamte in dem Gebäude nutzbare Fläche einschließlich der Flächen unter den nicht tragenden Innenwänden die Netto-Grundfläche nach DIN 277 darstellt, so ist diese Fläche für die Höhe der an die Mietfläche geknüpften Miete maßgeblich.
(amtlicher Leitsatz des Gerichts)
2. Zur Auslegung unklarer Regelungen in schriftlichen Verträgen kann das Gericht auch auf Umstände außerhalb der Vertragsurkunde zurückgreifen.
(Leitsatz der Redaktion)
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 550
Kommentar
In einem schriftlichen Mietvertrag über ein noch zu errichtendes Gebäude haben sich die Parteien auf die herzustellende Fläche des Objekts und einen Quadratmeterpreis geeinigt und des Weiteren in § 1 des Mietvertrags vereinbart, dass "die vermietbare Fläche ... nach Fertigstellung auf Basis DIN 277 (Nettogrundfläche) durch den Vermieter bzw. dessen Beauftragte ... vermessen und bestätigt (wird)."
Zu dem Mietvertrag gehört außerdem eine von den Parteien nicht unterzeichnete Anlage 5, aus der sich unter anderem ergibt, dass zu der Nettogrundfläche auch die unter den (nicht tragenden) Innenwänden liegende Fläche zählt.
Dementsprechend hat der Architekt des Vermieters nach Fertigstellung die Fläche ermittelt; diese entspricht der in § 1 des Mietvertrags vereinbarten Fläche. Zwischen den Parteien ist streitig, ob für die Flächenermittlung die DIN 277 oder die Anlage 5 zum Mietvertrag maßgebend ist.
Die Frage stellt sich deshalb, weil die Flächen unter den Innenwänden nach der DIN 277 zu den sog. Konstruktionsflächen zählen, die bei der Ermittlung der Grundfläche nicht zu berücksichtigen sind. Die Regelung in der Anlage 5 weicht also von der DIN 277 ab. Anders gewendet: Die Flächenermittlung nach der gem. § 1 des Mietvertrags maßgeblichen DIN 277 führt zu einem anderen Ergebnis als die Flächenermittlung nach der Anlage 5.
Das Gericht ist der Ansicht, dass die Fläche nach der Anlage 5 zu bemessen ist. Die Parteien hätten bereits in § 1 des Mietvertrags eine Berücksichtigung der unter den Innenwänden liegenden Fläche vereinbart, diese Fläche aber "fälschlich als Nettogrundfläche auf Basis DIN 277 bezeichnet". Der Regelung in der Anlage 5 komme kein eigener Regelungsgehalt zu; hierbei handle es sich "lediglich um die Erläuterung der bereits in den Vertragstext in § 1 des Mietvertrags aufgenommenen Quadratmeterzahl der vermietbaren Fläche". Deshalb spiele es auch keine Rolle, dass die Parteien die Anlage 5 nicht unterzeichnet haben.
Rückgriff auf Anlagen außerhalb der Vertragsurkunde
Die Entscheidung beruht auf dem allgemein anerkannten Grundsatz, dass das Gericht zur Auslegung unklarer Regelungen in schriftlichen Verträgen auch auf Umstände außerhalb der Vertragsurkunde zurückgreifen kann. In dem konkreten Fall war der Rückgriff auf die nicht unterzeichnete Anlage auch naheliegend, weil die Zahl der Innenwände von den Wünschen des Mieters abhing. Bei dieser Sach- und Interessenlage spricht alles dafür, dass das Entgelt nicht durch die Ausstattungswünsche des Mieters beeinflusst werden sollte.
Link zur Entscheidung
KG Berlin, Urteil v. 17.5.2010, 12 U 211/08, GuT 2010 S. 192