Leitsatz

  1. Kraft Gemeinschaftsordnung zu gewerblichen Zwecken nutzbares Teileigentum kann auch als muslimisch-religiöses Gemeindezentrum genutzt werden
  2. Inhaltsgleicher Zweitbeschluss zur Abrechnungsgenehmigung (ohne willentliche Aufhebung einer Erstbeschlussfassung)
 

Normenkette

§§ 10, 14 Nr. 1, 15 Abs. 1 und 3, 23, 28 Abs. 3 WEG; §§ 133, 157, 1004 Abs. 1 BGB

 

Kommentar

  1. Werden in der Wohnungseigentümerversammlung während noch laufender Anfechtung von Erstbeschlüssen über die Genehmigung von Jahresabrechnungen inhaltsgleiche Zweitbeschlüsse gefasst, kann aus der Bereitschaft der Versammlung, über die schon geregelte Angelegenheit erneut zu beschließen, nicht der Wille entnommen werden, die Erstbeschlüsse in jedem Fall aufzuheben, auch wenn die Anfechtung der Zweitbeschlüsse erfolgreich wäre.
  2. Bei einem Widerspruch zwischen der nach der Teilungserklärung bzw. dem darin in Bezug genommenen Aufteilungsplan und der nach der Gemeinschaftsordnung zulässigen Nutzung kommt den Nutzungsangaben im Aufteilungsplan grundsätzlich kein Vorrang zu; vielmehr geht die Regelung in der Gemeinschaftsordnung vor. Der unbefangene Betrachter darf sich nicht darauf verlassen, dass von verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten nur die am engsten begrenzte zulässig sei; er muss vielmehr davon ausgehen, dass die kraft Gesetzes umfassende Nutzungsmöglichkeit eines Teileigentums nur bei einer eindeutig ausgewiesenen Einschränkung entfällt.
  3. Wird in einer Teilungserklärung nur für Lage und Ausmaß des Sondereigentums und des gemeinschaftlichen Eigentums auf den der Urkunde als Anlage beigefügten Aufteilungsplan und die zeichnerischen Pläne Bezug genommen, nicht dagegen ausdrücklich auf die im Aufteilungsplan genannten Nutzungen, hat eine Aufschrift in den zeichnerischen Plänen (Supermarkt) nicht die Bedeutung einer Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter.
  4. Bestimmt eine Gemeinschaftsordnung, dass die gewerbliche Nutzung einer Teileigentumseinheit stets ohne Verwalterzustimmung erlaubt ist (was auch für rechtmäßige Nutzungsänderungen gilt), ist auch die Nutzung als muslimisches Gemeindezentrum als derartige rechtmäßige Nutzungsänderung zu werten, weil bei typisierender Betrachtungsweise von einer solchen Nutzung keine größeren Beeinträchtigungen ausgehen als bei einer ohne Einschränkungen zulässigen gewerblichen Nutzung dieses Teileigentums. Mangels eines Verstoßes gegen die nach Gemeinschaftsordnung vorgesehene Zweckbestimmung steht den übrigen Eigentümern deshalb kein Unterlassungsanspruch gegen eine solche Nutzung zu.
 

Link zur Entscheidung

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 01.11.2012, 20 W 12/08

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