Leitsatz

  1. Eine Anpassung des Nutzungsentgelts kann gemäß § 20 Abs. 3 SchuldRAnpG verlangt werden, wenn sich das übliche Entgelt seit der letzten Anpassung um mehr als 10 Prozent geändert hat. Gegenüberzustellen sind somit das ortsübliche Entgelt im Zeitpunkt der letzten Entgeltanpassung und das ortsübliche Entgelt, das durch die seitdem bis zum Zeitpunkt des neuen Anpassungsverlangens getroffenen Pachtvereinbarungen (Neuvertragspachten und geänderten Bestandspachten) gebildet wird.
  2. Außer Betracht bleiben diejenigen Vertragsabschlüsse, die in dem 3-Monats-Zeitraum zwischen dem Anpassungsverlangen und dessen Wirksamwerden (§ 20 Abs. 3 Satz 4 SchuldRAnpG) erfolgen.
  3. Das ortsübliche Nutzungsentgelt kann nicht in Gestalt einer ortsüblichen Entgeltspanne ermittelt werden, sondern ist vom Tatrichter mit einem eindeutigen Betrag festzustellen.
  4. Bei der Ausübung seines Schätzungsermessens ist der Tatrichter nicht an schematische Vorgaben gebunden. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann entweder die Bildung eines Durchschnittswerts der Vergleichsentgelte, eine Orientierung an der Häufigkeitsverteilung der Vertragsabschlüsse oder etwa eine Höhergewichtung der zuletzt abgeschlossenen Verträge angebracht sein.

(amtliche Leitsätze des BGH)

 

Normenkette

SchuldRAnpG § 20 Abs. 3

 

Kommentar

Der zur Entscheidung stehende Fall betrifft einen Pachtvertrag über ein in Magdeburg gelegenes Wochenendgrundstück. Das Grundstück weist eine Fläche von 298 qm auf; der jährliche Pachtzins betrug zuletzt 1,20 DM/qm. Mit Schreiben vom Oktober 2002 hat der Vermieter die Pacht auf 1,20 EUR/qm erhöht. Der Mieter hat die Pachtzinserhöhung nicht akzeptiert. Die Erhöhungsbeträge sind Gegenstand der Klage.

Auf Verträge über die Nutzung von Grundstücken zu anderen persönlichen Zwecken als Wohnzwecken gilt im Gebiet der ehemaligen DDR das Gesetz zur Anpassung schuldrechtlicher Nutzungsverhältnisse an Grundstücken im Beitrittsgebiet (SchuldrechtsanpassungsgesetzSchuldRAnpG). Nach § 20 Abs. 1 SchuldRAnpG kann der Grundstückseigentümer vom Nutzer die Zahlung eines Nutzungsentgelts verlangen. Die Höhe des Entgelts richtet sich nach der Nutzungsentgeltverordnung vom 22. Juli 1993 (BGBl I S. 1339; NutzEV). Danach kann das vereinbarte Entgelt schrittweise bis zur Höhe des ortsüblichen Entgelts erhöht werden. Nach der Legaldefinition in § 3 Abs. 2 Satz 1 NutzEV sind diejenigen Entgelte ortsüblich, "die nach dem 2. Oktober 1990 in der Gemeinde oder in vergleichbaren Gemeinden für Grundstücke vergleichbarer Art, Größe, Beschaffenheit und Lage vereinbart worden sind". Ist das ortsübliche Entgelt erreicht, so richtet sich die weitere Entgeltanpassung nach § 20 Abs. 3 SchuldRAnpG. Nach dieser Vorschrift ist eine weitere Anpassung "zulässig, wenn das Nutzungsentgelt seit einem Jahr nicht geändert worden ist und das ortsübliche Entgelt sich seitdem um mehr als 10 vom Hundert verändert hat".

Für die Pachtzinserhöhung gelten demnach folgende Grundsätze:

  1. Für die Ermittlung der zulässigen Pacht kommt es auf einen Vergleich zwischen den ortsüblichen Pachten im Zeitpunkt der letzten Anpassung und den aktuellen ortsüblichen Pachten an.
  2. Maßgeblich für die Ermittlung des aktuellen Pachtzinsniveaus sind die im Zeitpunkt des Anpassungsverlangens gezahlten Pachten. Außer Betracht bleiben diejenigen Vertragsabschlüsse, die in dem 3-Monats-Zeitraum zwischen dem Anpassungsverlangen und dessen Wirksamwerden (§ 20 Abs. 3 Satz 4 SchuldRAnpG) erfolgen.
  3. Die aktuellen ortsüblichen Pachten setzen sich zusammen aus den Neuvertragspachten und den nach dem SchuldRAnpG angepassten Pachten für vergleichbare Objekte. Unveränderte Bestandspachten werden nicht berücksichtigt.
  4. Die jeweiligen Werte sind punktgenau zu ermitteln. Es genügt nicht, wenn die jeweils ortsübliche Pacht in einer Form einer Preisspanne dargestellt wird.
  5. Bei der Ermittlung des aktuellen Pachtzinsniveaus steht dem Gericht ein Schätzermessen zu. Das Gericht kann sich hierbei an der Häufigkeitsverteilung der Vertragsabschlüsse orientieren. Ebenso kann das Gericht berücksichtigen, ob sich die Pachten in der letzten Zeit stärker oder schwächer entwickeln.
  6. Eine Erhöhung der Pacht ist möglich, wenn die Differenz zwischen der ortsüblichen Pacht im Zeitpunkt der letzten Anpassung und der aktuellen ortsüblichen Pacht mehr als 10 % beträgt.
 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 13.6.2012, XII ZR 49/10, WuM 2012 S. 568

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