Leitsatz
Geschiedene Eheleute stritten sich um die von der Ehefrau beanspruchte Nutzungsentschädigung für die nach ihrem Auszug allein von dem Ehemann bewohnte frühere Ehewohnung, deren hälftige Miteigentümer die Parteien waren. Es stellte sich die Frage, ob und auf der Grundlage welcher Vorschriften die Ehefrau trotz ihres freiwilligen Auszuges von dem in der Wohnung verbleibenden Ehemann Zahlung einer Nutzungsentschädigung verlangen kann.
Sachverhalt
Die Parteien waren geschiedene Eheleute. Die Antragstellerin nahm den Antragsgegner auf laufende und rückständige Nutzungsentschädigung für die Zeit des Getrenntlebens und die Zeit nach Rechtskraft der Ehescheidung, die am 02.08.2005 eingetreten war, in Anspruch.
Die Antragstellerin war aus dem im Miteigentum der Parteien stehenden Anwesen am 1.8.2004 freiwillig ausgezogen. Der Antragsgegner verblieb in der Ehewohnung und übertrug mit notarieller Urkunde vom 3.7.2006 seinen ideellen Miteigentumsanteil an der Wohnung an den gemeinsamen Sohn der Parteien gegen Einräumung eines ausschließlichen und unentgeltlichen Nutzungsrechts auf Lebenszeit. Im April 2007 übertrug auch die Antragstellerin ihren Miteigentumsanteil ebenfalls an den gemeinsamen Sohn gegen Zahlung eines Kaufpreises von 180.000,00 EUR.
Unterhaltsansprüche wurden von den Parteien nicht geltend gemacht. Die Antragstellerin lebte in einer Mietwohnung und erzielte aus nicht selbständiger Tätigkeit monatliches Einkommen von 900,00 EUR. Der Antragsgegner erhielt eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit i.H.v. monatlich 573,53 EUR. Im Jahre 2001 hatte er von seinem Arbeitgeber eine Abfindung i.H.v. 60.000,00 EUR erhalten. Außerdem ließ er sich seine Betriebsrente i.H.v. 40.000,00 EUR auszahlen.
Die Antragstellerin verlangte von dem Antragsgegner vom Zeitpunkt des Auszuges Anfang September 2004 bis zur Rechtskraft der Ehescheidung Anfang August 2005 eine monatliche Nutzungsentschädigung von 450,00 EUR, für die Zeit ab Rechtskraft der Scheidung eine solche von monatlich 700,00 EUR.
Das erstinstanzliche Gericht hat den Antragsgegner antragsgemäß zur Zahlung der geltend gemachten Nutzungsentschädigung verurteilt und zur Begründung ausgeführt, die Antragstellerin habe gegen ihn für die Trennungszeit Anspruch auf Nutzungsentschädigung gem. § 1361b BGB und für die Zeit ab Rechtskraft der Ehescheidung gem. den §§ 2, 3 HausrVO. Die genannten spezialgesetzlichen Vorschriften seien gegenüber der Regelung aus § 745 Abs. 2 BGB vorrangig.
Nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe insoweit legte der Antragsgegner Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil ein, die nur zum geringen Teil Erfolg hatte.
Entscheidung
Das OLG hielt die als Beschwerde zu wertende Berufung des Antragsgegners für zulässig, jedoch nur für zum geringen Teil begründet.
Auch bei einem freiwilligen Auszug ohne richterliche Zuweisung der Ehewohnung während des Getrenntlebens könne die Antragstellerin eine Nutzungsentschädigung nach § 1361b BGB beanspruchen, nachdem diese Vorschrift durch das Gewaltschutzgesetz neu gefasst worden sei. Streitig sei das Konkurrenzverhältnis zwischen § 745 Abs. 2 BGB und § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB für den Fall, dass die fragliche Wohnung im Miteigentum der Eheleute stehe, wenn diese Wohnung freiwillig verlassen werde. Der BGH habe in ständiger Rechtsprechung bislang hierzu entschieden, dass eine Nutzungsvergütung unter Miteigentümern nur als Folge einer Neuregelung der Verwaltung und Benutzung durch Beschluss nach § 745 Abs. 2 BGB angeordnet werden könne, wobei diese Nutzungsänderung dann auch einen Anspruch auf Festsetzung der Vergütung beinhalte. Zwar ergebe sich bei einer gerichtlich angeordneten Wohnungsüberlassung der Anspruch des weichenden Miteigentümers auf Zahlung einer Nutzungsvergütung während der Trennungszeit aus § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB, der in diesem Fall lex specialis zu § 745 Abs. 2 BGB sei. Dies müsse auch für einen freiwilligen Auszug des Miteigentümers gelten, da es nach der Neufassung des § 1361b Abs. 3 BGB nicht mehr auf die Verpflichtung zur Räumung ankomme. Deshalb sei § 1361b BGB auch hier Sondervorschrift ggü. der gemeinschaftsrechtlichen Regelung (OLG Dresden NJW 2005, 3151; OLG Brandenburg FamRZ 1392; Johannsen/Henrich/ Brudermüller § 1361b Rz. 33 a.E.; Haußleiter/Schulz, Kap. 4 Rz. 56). Für die Zeit ab Rechtskraft der Scheidung bestehe ein Anspruch der Antragstellerin auf Nutzungsentgelt in entsprechender Anwendung der §§ 2, 3 HausrVO. Auch hier wurde eine Regelung nach § 745 BGB nicht in Betracht gezogen, so dass es keiner nochmaligen Differenzierung für die Zeit bis zur Beendigung des Miteigentums des geschiedenen Ehemannes und für die weitere Zeit danach bedurfte.
Hinweis
Nach wie vor ist nicht abschließend geklärt, ob bei einem freiwilligen Auszug aus der Ehewohnung von dem dort verbleibenden Miteigentümer eine Nutzungsentschädigung nur nach § 745 Abs. 2 BGB (so bisher BGH XII ZR 254/94 in FamRZ 1996, 931) oder seit der Neufassung des § 1361b BGB nur noch nach dieser Vorschrift beansprucht werden kan...