Dr. Christoph Brandenburg
Leitsatz
Nach Übermittlung von FFH-Listen an die Kommission ist der Mitgliedsstaat verpflichtet, auf darin enthaltenen Gebieten keine Eingriffe mehr zuzulassen, die die ökologischen Merkmale dieser Gebiete ernsthaft beeinträchtigen können.
Fakten:
Mit Beschluss vom 07.03.2002 genehmigte die Regierung von Oberbayern den Plan für den Bau des 6,2 km langen Teilabschnitts Forstinning-Paststettener der Autobahn A 94. Laut Planung überquert die Trasse u.a. den Hammersbach, die Isen und deren Nebenbäche Lappach, Goldbach und Rimbach. Die Gewässer befinden sich in einem Gebiet, das am 29.09.2004 vom Bundesumweltministerium der EU-Kommission als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung (FFH-Gebiet) gemeldet wurde. Der Bund Naturschutz in Bayern e.V. und 23 weitere Personen begehrten vor dem BayVGH die Aufhebung des Planungsbeschlusses. Im Rahmen dieses Verfahrens legte der BayVGH dem EuGH gem. 234 EG die Fragen vor, welches Schutzregime die Richtlinie 92/43/EWG des Rates zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen vom 21.05.1992 (FFH-RL) für in nationalen Vorschlagslisten enthaltene Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung verlangt, bevor sie in die von der Kommission in die Gemeinschaftsliste aufgenommen wurden und ob Art. 48 Abs. 2 BayNatSchG ausreichenden Schutz hierfür bietet. (Hintergrund: Die Bundesländer stellen primär unter dem Kriterium des Arten- und Habitatschutzes Listen von Schutzgebieten zusammen.
Über das Bundesumweltministerium werden die FFH-Listen an die EU-Kommission weitergeleitet, welche die Listen nach Prüfung in den Natura 2000-Katalog (Gemeinschaftslist- oder FHH-Liste) aufnimmt. Nach Aufnahme in die Gemeinschaftsliste genießen die Gebiete den vollen Schutz durch die FFH-RL.). Der EuGH entschied, dass, um die Zielsetzung der FFH-RL, ein europäisches ökologisches Netz besonderer Schutzgebiete zu schaffen, verwirklichen zu können, die Mitgliedsstaaten bei in der Kommission übermittelten FFH-Listen enthaltenen Gebieten verpflichtet sind, keine Eingriffe zuzulassen, die die ökologischen Merkmale dieser Gebiete ernsthaft beeinträchtigen können. Dies gelte insbesondere für Eingriffe, welche die Fläche des Gebiets wesentlich verringern oder zum Verschwinden von in diesem Gebiet vorkommenden prioritären Arten führen oder die Zerstörung des Gebiets oder die Beseitigung seiner repräsentativen Merkmale zur Folge haben könnten. Auf die Frage, ob Art. 48 Abs. 2 BayNatSchG hierfür ausreichenden Schutz bereithält, antwortete der EuGH, dass die Mitgliedsstaaten verpflichtet seien, nach den Vorschriften des nationalen Rechts alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, wobei es Sache des nationalen Gerichts sei, zu beurteilen, ob dies konkret der Fall sei.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 14.09.2006, C-244/05
Fazit:
Es bleibt somit abzuwarten, wie der BayVGH über die Qualität von Art. 48 Abs. 2 BayNatSchG als ausreichendes Schutzregime für gemeldete, aber noch nicht aufgenommene FFH-Gebiete entscheidet. Dabei dürfte er wohl zu dem Ergebnis kommen, dass ausreichender Schutz gewährleistet ist. Gem. Art. 48 Abs. 2 BayNatSchG können die zuständigen Stellen zur einstweiligen Sicherstellung von Schutzgebieten und Schutzgegenständen durch Rechtsverordnung oder Einzelanordnung für eine Dauer von bis zu zwei Jahren Veränderungsverbote aussprechen, wenn zu befürchten ist, dass durch Veränderung der Zweck der beabsichtigten Inschutznahme beeinträchtigt würde. Ist die zuständige Naturschutzbehörde also der Ansicht, dass ein bei der Kommission gemeldetes FFH-Gebiet durch bauliche Maßnahmen seine Qualität als FFH-Gebiet verlieren könnte, kann sie gem. Art. 48 Abs. 2 BayNatSchG Einfluss auf die bauliche Maßnahme nehmen und somit den Anforderungen des EuGH gerecht werden.