Prof. Dr. Susanne Ferrari, Dr. Marion Koch-Hipp
a) Allgemeines
Rz. 114
Die Scheidung wegen Verschuldens (§ 49 EheG) sowie die Scheidung nach den §§ 50, 52 und 55 EheG hat im streitigen Verfahren zu erfolgen, das durch Klage eingeleitet wird. Die Scheidung kann ein Ehegatte nur selbst begehren, wenn er dafür entscheidungsfähig ist (§ 47 Abs. 1 EheG). Fehlt ihm diese Voraussetzung, so kann ihn ein gesetzlicher Vertreter dabei nur vertreten, wenn die Vertretungshandlung zur Wahrung seines Wohls erforderlich ist; gibt der Ehegatte aber zu erkennen, dass er die vom gesetzlichen Vertreter geplante Vertretungshandlung ablehnt, so hat diese zu unterbleiben, es sei denn, sein Wohl wäre sonst erheblich gefährdet (§ 47 Abs. 2 EheG).
b) Zuständigkeit
Rz. 115
Sachlich zuständig ist das Bezirksgericht (§ 49 Abs. 2 Z. 2a JN). Örtlich zuständig ist primär das Bezirksgericht, in dessen Sprengel die Ehegatten den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben oder zuletzt gehabt haben (§ 76 Abs. 1 S. 1 JN). Eine Gerichtsstandvereinbarung ist unter der Voraussetzung, dass die inländische Gerichtsbarkeit gegeben ist, zulässig.
Rz. 116
Die Scheidungsklage ist entweder schriftlich bei Gericht einzubringen oder, etwa beim Amtstag, mündlich zu Protokoll zu geben (§§ 434, 439 ZPO). Eine Verbindung mit anderen Klagen, wie etwa auf Unterhalt oder Klagen die Ehewohnung betreffend, ist zulässig (§§ 76a, 100 JN). Eine Vertretung durch einen Anwalt ist nicht nötig, da in Österreich im Scheidungsverfahren erster Instanz nur relative Anwaltspflicht herrscht; lediglich im Rechtsmittelverfahren ist eine anwaltliche Vertretung unumgänglich (§§ 27, 29 ZPO).
c) Ablauf des Verfahrens
Rz. 117
Das Verfahren ist nicht öffentlich (§ 460 Z. 3 ZPO); jeder Ehegatte wird aber eine Vertrauensperson mit zur Verhandlung nehmen dürfen. Der Richter ist zu Beginn und das ganze Verfahren über angehalten, auf eine Versöhnung der Parteien hinzuwirken (§ 460 Z. 7 ZPO). Das Unterbleiben eines Versöhnungsversuchs stellt einen rügepflichtigen Verfahrensmangel dar. Ist anzunehmen, dass die Ehegatten sich wieder versöhnen, können diese ein Ruhen des Verfahrens beantragen; dadurch wird bewirkt, dass für mindestens drei Monate weder vom Gericht noch von den Parteien eine Verfahrenshandlung gesetzt werden kann. Gelingt keine Versöhnung, muss das Verfahren durch einen Fortsetzungsantrag wieder aufgenommen werden. Ruhen des Verfahrens tritt auch bei Nichterscheinen beider Parteien zur Verhandlung ein (siehe dazu §§ 168 ff. ZPO).
Rz. 118
Die Parteien sollen dem Verfahren persönlich beigezogen werden, wenn nicht wichtige Gründe dagegensprechen. Erforderlichenfalls kann das Gericht nach eigenem Ermessen das Erscheinen der Parteien auch erzwingen (§ 460 Z. 1 ZPO), um ein einseitig geführtes Scheidungsverfahren zu verhindern. Erscheint der Kläger unentschuldigt nicht zur ersten mündlichen Streitverhandlung, so ist die Klage auf Antrag des beklagten Ehegatten vom Gericht als ohne Verzicht auf den Anspruch zurückgenommen zu erklären (§ 460 Z. 5 ZPO). Anerkenntnis-, Verzichts- sowie Versäumungsurteile sind unzulässig (§ 460 Z. 9 ZPO).
Rz. 119
Ist ein Ehegatte nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten und hat er auch keine Beratung über die Scheidungsfolgen inklusive der sozialversicherungsrechtlichen Folgen und der Haftung für Kredite in Anspruch genommen, hat das Gericht auf entsprechende Beratungsangebote und auf die Nachteile hinzuweisen, die durch ungenügende Kenntnisse über diese Folgen entstehen können. Die Tagsatzung ist ggf. zu erstrecken, um der Partei Gelegenheit zur Einholung einer Beratung zu geben (§ 460 Z. 6a ZPO). Verliert ein Ehegatte durch eine Eheauflösung den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung, so hat das Gericht mit Zustimmung des betroffenen Ehegatten den zuständigen Sozialversicherungsträger zu verständigen (§ 460 Z. 11 ZPO).
Rz. 120
Die mündliche Streitverhandlung wird durch ein Urteil abgeschlossen, das mündlich verkündet wird oder gem. § 415 ZPO innerhalb von vier Wochen nach Schluss der Verhandlung schriftlich auszufertigen ist. Das Urteil wird den Parteien gegenüber erst mit Zustellung der schriftlichen Ausfertigung wirksam (§ 416 Abs. 1 ZPO). Eine Berufung an das Landesgericht und in weiterer Folge eine Revision an den OGH sind ohne Rücksichtnahme auf den Streitwert zulässig (§§ 501 ff. ZPO); im Berufungsverfahren herrscht Neuerungsverbot (§ 482 ZPO). Die Rechtsmittelfrist beträgt vier Wochen ab erfolgter Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Urteils (§ 464 ZPO).
Rz. 121
Stirbt ein Ehegatte vor der Rechtskraft des Urteils, so ist der Rechtsstreit als erledigt anzusehen und ein bereits ergangenes Urteil wirkungslos (§ 460 Z. 8 ZPO). Unter der Rechtskraft ist die materielle Rechtskraft zu verstehen, die auch bei einem Rechtsmittelverzicht erst mit der Zustellung der Urteilsausfertigung an die Parteien eintritt. Das Scheidungsurteil ist daher auch dann wirkungslos, wenn ein Ehegatte nach der Urteilsverkündung und nach dem im Anschluss daran von den Ehegatten erklärten Rechtsmittel...