Mag. Johanna Haunschmidt, Dr. Franz Haunschmidt
Rz. 116
Liegt keine Voraussetzung für die Durchführung eines Verlassenschaftsverfahrens im Inland vor, ist die inländische bewegliche Verlassenschaft (z.B. Sparvermögen, Kontoguthaben, Wertpapiere und Safeinhalte) aufgrund einer Bestätigung des Wohnsitzstaates des Verstorbenen über Antrag den jeweiligen Berechtigten mittels Ausfolgungsverfahrens zu überlassen (§ 150 AußStrG). Ein Erbschein kann als eine solche Bestätigung angesehen werden. Im Verhältnis zu EU-Mitgliedstaaten ist ein diesem Zweck dienendes Ausfolgungsverfahren seit dem Inkrafttreten der EuErbVO nicht mehr erforderlich, da der Nachweis der Rechtsnachfolge hier mit einem Europäischen Nachlasszeugnis (ENZ) geführt werden kann. Daher wurde der Anwendungsbereich von § 150 AußStrG auf das Verhältnis zu Drittstaaten beschränkt.
Rz. 117
Beim unbeweglichen Vermögen stellt sich die Frage, ob ein ENZ den österreichischen Einantwortungsbeschluss ersetzen kann, sodass aufgrund dieser Urkunde auch Eintragungen im österreichischen Grundbuch (insb. Eigentümerwechsel) erfolgen können. Während dem Einantwortungsbeschluss rechtsgestaltende Wirkung zukommt, handelt es sich beim ENZ um keinen vollstreckbaren Titel, sondern lediglich um einen Ausweis über die nach dem anwendbaren Recht (Erbstatut) bestehende Rechtslage. Art. 69 Abs. 5 EuErbVO bezeichnet das ENZ als "wirksames Schriftstück" für die Eintragung des Nachlassvermögens in ein Register eines Mitgliedstaates. Die Mitgliedstaaten haben daher das ENZ als Nachweis der Erbenstellung zu akzeptieren.
Rz. 118
Auch § 33 Abs. 1 lit. d Grundbuchsgesetz (GBG) zählt das ENZ zu den öffentlichen Urkunden, aufgrund derer Einverleibungen erfolgen können. Das Grundbuchsgericht darf aufgrund des Charakters einer öffentlichen Urkunde des ENZ nicht die Vorlage anderer Dokumente (z.B. inländische öffentliche Urkunden oder gerichtliche Entscheidungen) verlangen. Das Fehlen der Bezeichnung der Liegenschaft in einem ENZ steht der grundbücherlichen Einverleibung des Eigentumsrechts der danach ausgewiesenen Erben nicht entgegen.
Rz. 119
Da die Verwendung des ENZ nicht verpflichtend ist, ist auch der Nachweis der Erbenstellung durch einen ausländischen Erbnachweis (z.B. deutscher Erbschein) gemäß § 33 Abs. 1 lit. d GBG möglich. Wenn mit einem deutschen Erbschein die Einverleibung des Eigentumsrechts an einer österreichischen Liegenschaft begehrt wird, greift der Richtervorbehalt nach § 16 Abs. 2 Z 6 RpflG.