Prof. Dr. Susanne Ferrari, Dr. Marion Koch-Hipp
Rz. 238
Die internationale Zuständigkeit bei der elterlichen Verantwortung, somit auch bei der Obsorge, richtet sich primär nach der Brüssel IIa-VO (Art. 8 ff. i.V.m. Art. 2 Nr. 7 Brüssel IIa-VO).
Rz. 239
Die Brüssel IIa-VO verdrängt hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit das KSÜ, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat der EU (außer Dänemark) hat (Art. 61 lit. a Brüssel IIa-VO, Art. 52 Abs. 2 KSÜ). Die KSÜ-Regeln über die inländische Gerichtsbarkeit kommen daher nur zu Anwendung, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem KSÜ-Vertragsstaat, nicht aber in einem Mitgliedstaat der Brüssel IIa-VO hat. Die Brüssel IIa-VO verdrängt nach Art. 60 lit. a das MSA im Verhältnis der Mitgliedstaaten zueinander; gegenüber EU-übergreifenden multilateralen Übereinkommen hat die Brüssel IIa-VO nur im Verhältnis zwischen Mitgliedstaaten Vorrang (Art. 60 Brüssel IIa-VO).
Rz. 240
Nationales Zuständigkeitsrecht kommt nur in Frage, wenn sich keine Zuständigkeit nach der Brüssel IIa-VO ergibt und das Kind keinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem KSÜ-Vertragsstaat hat oder einem Staat, mit dem es ein bilaterales Abkommen gibt. Nach § 110 JN ist die inländische Gerichtsbarkeit gegeben, wenn der Minderjährige österreichischer Staatsangehöriger ist oder er den (gewöhnlichen) Aufenthalt im Inland hat oder er Vermögen im Inland hat, soweit es um dieses Vermögen betreffende Maßnahmen geht (§ 110 Abs. 1 JN).
Rz. 241
Das Haager Kindesentführungsübereinkommen (HKÜ) ist ein weiteres wichtiges Übereinkommen auf familienrechtlichem Gebiet, dessen Hauptziel die sofortige Rückgabe eines widerrechtlich ins Ausland verbrachten oder dort zurückgehaltenen Kindes sicherstellt. Das HKÜ geht dem KSÜ in seinem Anwendungs- und Regelungsbereich vor. Die Brüssel IIa-VO ergänzt und modifiziert das HKÜ bei Entführungen zwischen Mitgliedstaaten.