Mag. Johanna Haunschmidt, Dr. Franz Haunschmidt
Rz. 81
Mittels letztwilliger formgültiger Verfügung oder auch stillschweigend durch Übergehung in der letztwilligen Verfügung kann der letztwillig Verfügende anordnen, dass sich der Pflichtteil eines seiner Pflichtteilsberechtigten (Nachkommen, Ehepartner oder eingetragener Partner) (maximal) auf die Hälfte mindert, wenn zwischen Verstorbenem und Pflichtteilsberechtigten zu keiner Zeit oder über einen längeren Zeitraum (mind. 20 Jahre) vor dem Tod des Verfügenden kein Naheverhältnis bestand, wie es zwischen solchen Familienangehörigen gewöhnlich besteht (§ 776 ABGB). Bei der Beurteilung der Nahebeziehung kommt es auf das konkrete Verhältnis zwischen Verstorbenem und Pflichtteilsberechtigten an.
Rz. 82
Kindern gebührt demnach bei Pflichtteilsminderung durch den Verfügenden zumindest ein Viertel ihres gesetzlichen Erbteils. Eine solche Pflichtteilsminderung erhöht den Pflichtteil der übrigen Pflichtteilsberechtigten teilweise (§ 776 ABGB). Die freiwerdende Hälftequote fällt an die übrigen Pflichtteilsberechtigten, wenn nicht ein Nachkomme des Pflichtteilsgeminderten eintritt, der Anspruch auf den vollen Pflichtteil hat, weil die Voraussetzungen der Pflichtteilsminderung ihm gegenüber nicht gegeben sind (§ 758 Abs. 2 S. 3 ABGB). Eheliche und uneheliche Kinder sind vollkommen gleichgestellt; eine Pflichtteilsminderung ist auch in ehelichen Verhältnissen möglich, wird aber in außerehelichen Verhältnissen häufiger in Betracht kommen. Die Voraussetzungen für die Pflichtteilsminderung sind vom Erben (bzw. vom Geschenknehmer bei der Schenkungsanrechnung) zu beweisen.
Rz. 83
Das Minderungsrecht steht nicht zu, wenn der Verstorbene Besuchskontakte mit dem Pflichtteilsberechtigten grundlos abgelehnt oder berechtigten Anlass für den fehlenden Kontakt gegeben hat.