Rz. 47
Der Unterhaltsanspruch steht einem Ehegatten dann nicht zu, wenn dessen Geltendmachung rechtsmissbräuchlich wäre (§ 94 Abs. 2 S. 2 ABGB).[77] Die Prüfung des Rechtsmissbrauchs erfolgt nach sehr strengen Regeln; die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs muss wegen des Verhaltens des berechtigten Ehegatten grob unbillig erscheinen.[78] Die Rechtsprechung nimmt Rechtsmissbrauch bei besonders schweren Eheverfehlungen an, aus denen hervorgeht, dass der ursprünglich unterhaltsberechtigte Ehegatte jegliche eheliche Gesinnung verloren hat, so etwa bei fortgesetzter empfindlicher Verletzung der ehelichen Treue, bei Eingehen einer Lebensgemeinschaft nach unbegründetem Verlassen des Ehegatten, bei Unterschieben eines Kindes, bei körperlichen Misshandlungen und schweren Drohungen.[79] Das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs führte nach früherer Rechtsprechung zum endgültigen und gänzlichen Erlöschen des Unterhaltsanspruchs.[80] Nach der jüngeren Rechtsprechung ist – um Wertungswidersprüche mit § 68a Abs. 3 EheG (siehe zu dieser Bestimmung Rdn 169) zu vermeiden – auch eine Minderung des Unterhaltsanspruchs möglich. Es bedarf dabei einer umfassenden Interessenabwägung, in die neben den zur Bejahung des Rechtsmissbrauchs führenden Eheverfehlungen jedenfalls auch das Verhalten des unterhaltspflichtigen Ehegatten, die Dauer und Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft, das Wohl der Kinder sowie der Bedarf des Unterhalt begehrenden Ehegatten einzubeziehen sind.[81]
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