Mag. Johanna Haunschmidt, Dr. Franz Haunschmidt
Rz. 96
Beim Erb- und Pflichtteilsverzicht handelt es sich um einen Vertrag, mit dem ein Erbanwärter oder Pflichtteilsberechtigter gegenüber dem Verstorbenen zu dessen Lebzeiten – im Voraus – auf seinen künftigen Erb- oder Pflichtteilsanspruch verzichtet. Ein solcher Verzicht erfolgt meist gegen Abfindung. Der Erbverzicht hat in der Praxis große Bedeutung, weil durch ihn zu Lebzeiten des Verstorbenen – also im Vorhinein – verbindlich die Erbfolge geregelt werden kann. Der Verzicht wirkt auch auf die Nachkommen des Verzichtenden, wenn sich aus dem Vertrag nichts anderes ergibt (§ 551 ABGB). Selbst wenn minderjährige oder sonstige schutzberechtigte Nachkommen des Verzichtenden durch einen solchen Vertrag benachteiligt sein könnten, ist hierfür keine pflegschaftsbehördliche Genehmigung erforderlich. Der Verzichtende ist nämlich nicht verpflichtet, die Verlassenschaft für seine Nachkommen zu erhalten.
Rz. 97
Erb- und Pflichtteilsverzichtsverträge dürfen nur zwischen dem Verstorbenen und potentiell Erbberechtigten abgeschlossen werden. Verträge unter Erbanwärtern zu Lebzeiten des Verstorbenen über das mögliche künftige Erbrecht sind gem. § 879 Abs. 2 Ziff. 3 ABGB unwirksam. Erb- und Pflichtteilsverzichtsverträge bedürfen der Form des Notariatsakts.
Rz. 98
Der Erbverzichtsvertrag erhöht – im Gegensatz zum Pflichtteilsverzichtsvertrag – den Pflichtteilsanspruch der übrigen Pflichtteilsberechtigten, weil bei der Berechnung der Pflichtteilsansprüche der auf seinen Erbteil Verzichtende als nicht vorhanden betrachtet wird. Nur bei Abschluss eines Pflichtteilsverzichtsvertrages wird daher die Testierfreiheit des Verstorbenen vergrößert. Der Pflichtteilsverzicht ist daher i.d.R. dem Erbverzicht vorzuziehen, weil der Ausschluss vom gesetzlichen Erbrecht auch durch entsprechende Testamentsgestaltung erreicht werden kann.