Prof. Dr. Susanne Ferrari, Dr. Marion Koch-Hipp
Rz. 186
In der juristischen Praxis sind Vereinbarungen über den nachehelichen Unterhalt sehr bedeutsam. Es wurde schon erwähnt, dass ca. 90 % der österreichischen Ehescheidungen im Einvernehmen erfolgen. Im Fall der einvernehmlichen Scheidung nach § 55a EheG ist u.a. der Abschluss einer schriftlichen Unterhaltsvereinbarung vor Gericht eine Scheidungsvoraussetzung (siehe Rdn 112). Die Ehegatten können den nachehelichen Unterhalt aber auch im Zuge einer streitigen Scheidung vertraglich regeln (§ 80 EheG). In diesem Fall ist die Vereinbarung formfrei; sie kann auch schon vor oder während der Ehe geschlossen werden. Auch ein gänzlicher Verzicht auf Unterhalt ist möglich. Problematisch ist ein solcher allerdings, wenn er auch einen Verzicht auf die Umstandsklausel enthält (siehe dazu Rdn 188 f.).
Rz. 187
Unterhaltsvereinbarungen unterliegen den allgemeinen Vertragsgrundsätzen und können bei deren Verletzung durch Willensmängel, Geschäftsunfähigkeit, Scheingeschäft, Sittenwidrigkeit etc. (teil-)unwirksam oder anfechtbar sein. Sittenwidrigkeit liegt etwa vor, wenn die Einkommensverhältnisse des Verpflichteten und die vereinbarte Unterhaltshöhe in einem groben Missverhältnis stehen oder die Existenz des Verpflichteten durch die Unterhaltsleistung gefährdet wird oder wenn die Vereinbarung nur in der Absicht geschlossen wird, den Unterhalt auf Dritte, bspw. die öffentliche Fürsorge, abzuwälzen. Ein nichtiges Scheingeschäft liegt vor, wenn die Vereinbarung nur geschlossen wird, um dem Unterhaltsberechtigten zukünftig einen Pensionsanspruch zu sichern, ohne dass die Unterhaltspflicht tatsächlich erfüllt werden soll.
Rz. 188
Auch für die Vereinbarung über den Unterhalt gilt die Umstandsklausel. Sie kann aber von den Ehegatten ausgeschlossen werden. In diesem Fall würde der Anspruch des Unterhaltsberechtigten etwa auch bestehen bleiben, wenn er eine Lebensgemeinschaft eingeht, sodass sich der unterhaltsverpflichtete Gatte nicht auf das Ruhen des Unterhaltsanspruchs berufen kann (zum Ruhen des Unterhaltsanspruchs siehe Rdn 185). Es kann daher ratsam sein, diesen Fall vom Verzicht auf die Umstandsklausel auszunehmen.
Rz. 189
Das Beharren auf dem Ausschluss der Umstandsklausel durch den Unterhaltsberechtigten ist nach der Judikatur sittenwidrig, wenn bei Umstandsänderung dem Verpflichteten die Existenzgrundlage entzogen würde oder ein krasses Missverhältnis zwischen Unterhaltshöhe und Resteinkommen des Verpflichteten entstünde. Umgekehrt kann (seit einer viel diskutierten Entscheidung des OGH) bei einem Unterhaltsverzicht samt Ausschluss der Umstandsklausel auch für den Fall der Not das Beharren des leistungsfähigen Partners auf dem Verzicht zumindest hinsichtlich des notdürftigen Unterhalts sittenwidrig sein, wenn der bedürftige Verzichtende tatsächlich in Not verfällt.