Prof. Dr. Susanne Ferrari, Dr. Marion Koch-Hipp
Rz. 101
Schwere Eheverfehlungen des einen Gatten berechtigen den anderen, die Scheidung der Ehe zu verlangen, wenn sie zur tiefen unheilbaren Zerrüttung der Ehe geführt haben. Eine schwere Eheverfehlung liegt insbesondere vor, wenn ein Ehegatte die Ehe gebrochen oder dem anderen körperliche Gewalt oder schweres seelisches Leid zugefügt hat (§ 49 EheG). Eine unheilbare Zerrüttung ist anzunehmen, wenn die geistige, seelische oder körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten objektiv und wenigstens bei einem Ehegatten subjektiv zu bestehen aufgehört hat. Erhebt ein Ehegatte die Klage, so liegt nach der Rechtsprechung i.d.R. bei diesem subjektive Zerrüttung vor. Eheverfehlungen, die nach dem Eintritt der Zerrüttung gesetzt werden, spielen mangels Kausalität für das Scheitern der Ehe i.d.R. keine entscheidende Rolle, es sei denn, dass der verletzte Ehegatte diese Eheverfehlung noch als zerrüttend empfinden durfte oder eine Vertiefung der Zerrüttung durch die Verfehlung nicht ausgeschlossen werden kann, wie insbesondere bei Beleidigungen und Misshandlungen.
Rz. 102
Hat nicht nur der beklagte, sondern auch der klagende Ehegatte Verfehlungen begangen und sind die Verfehlungen des Beklagten erst durch das schuldhafte Verhalten des Klagenden hervorgerufen worden, besteht sonst ein Zusammenhang zwischen den jeweiligen Verfehlungen oder wiegen die Verfehlungen des Klägers unverhältnismäßig schwerer als die des Beklagten, dann ist das Scheidungsbegehren von Amts wegen als sittlich nicht gerechtfertigt abzuweisen (Verwirkung des Scheidungsrechts; § 49 S. 3 EheG).