Prof. Dr. Susanne Ferrari, Dr. Marion Koch-Hipp
Rz. 162
Grundgedanke der §§ 66 f. EheG ist, dass der schuldige Ehegatte den schuldlosen nach Möglichkeit unterstützen muss, sofern dieser auf eine solche Hilfe angewiesen ist. Voraussetzung dafür ist, dass im Zuge einer Verschuldensscheidung das alleinige oder überwiegende Verschulden eines Teils an der Scheidung ausgesprochen wird (zum Schuldausspruch siehe Rdn 106, 122 und 122). Der allein oder überwiegend schuldige Ehegatte hat dem anderen, soweit dessen Einkünfte aus Vermögen und die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit, die von ihm den Umständen nach erwartet werden kann, nicht ausreichen, den nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt zu gewähren (§ 66 EheG). Der Unterhaltsanspruch ergibt sich somit einerseits aus dem Bedarf des Berechtigten und andererseits aus der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten. Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit sind nach der Rechtsprechung insbesondere folgende Kriterien zu berücksichtigen: Ausbildung und bisherige Erwerbstätigkeit sowie Alter, Gesundheit, Dauer der Ehe und Kinderbetreuungspflichten nach Eheauflösung. In der Regel ist die Fortsetzung einer schon während der Ehe ausgeübten Tätigkeit zumutbar; die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit ist eher zumutbar als der völlige Neubeginn. Unzumutbar erachtet die Rechtsprechung die Ausübung einer Erwerbstätigkeit einer geschiedenen Frau, die ein vorschulpflichtiges Kind (bis sechs Jahre) selbst pflegt und erzieht; nach Ansicht des OGH ist es für die Prüfung der Zumutbarkeit irrelevant, ob das zu betreuende Kind vom Unterhaltsverpflichteten stammt oder nicht. Der unterhaltsberechtigte Ehegatte muss auch dann einer zumutbaren Erwerbstätigkeit nachgehen, wenn er während aufrechter Ehe vereinbarungsgemäß nicht erwerbstätig war.
Rz. 163
Für die Einzelheiten der Unterhaltsbemessung (etwa Prozentsätze und Anspannungstheorie) gelten die gleichen Grundsätze wie bei aufrechter Ehe (siehe Rdn 39 ff.). Auch für diesen Unterhaltsanspruch ist keine Befristung vorgesehen. Das österreichische Gesetz kennt beim nachehelichen Unterhalt – im Unterschied zum Kindesunterhalt – keine Beschränkung der Höhe nach ("Luxusgrenze"). Hat der Verpflichtete allerdings gegenüber einem neuen Ehegatten eine Unterhaltspflicht, ist diese gleichrangig mit der Unterhaltspflicht gegenüber dem geschiedenen. Der geschiedene Gatte muss dann eine Reduzierung seines Unterhaltsanspruchs um 1–3 Prozentpunkte vom jeweiligen Prozentsatz hinnehmen.
Rz. 164
Würde der verpflichtete Ehegatte durch Gewährung des im § 66 EheG bestimmten Unterhalts bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen seinen eigenen angemessenen Unterhalt gefährden (§ 67 Abs. 1 EheG), so hat dies gestufte Konsequenzen: Es sind zunächst die Verwandten des Berechtigten heranzuziehen (§ 71 Abs. 1 EheG). Existieren keine Verwandten bzw. können sie für den Unterhalt des Berechtigten nicht aufkommen, hat dieser den Stamm seines Vermögens heranzuziehen, soweit ihm dies zumutbar ist (§ 67 Abs. 2 EheG). Hat er kein ausreichendes Vermögen, so steht ihm ein Billigkeitsunterhalt zu.