Prof. Dr. Susanne Ferrari, Dr. Marion Koch-Hipp
Rz. 166
Der durch das EheRÄG 1999 eingeführte § 68a EheG gewährt einem geschiedenen Ehegatten einen Unterhaltsanspruch bei aktueller Betreuung gemeinsamer Kinder (Abs. 1) bzw. nach Abs. 2, wenn er sich während der Ehe einvernehmlich der Haushaltsführung, ggf. auch der Kinder- oder Angehörigenbetreuung, gewidmet hat und ihm nun aufgrund des Mangels an Erwerbsmöglichkeiten (etwa wegen mangelnder beruflicher Aus- oder Fortbildung während der Ehe) oder der Dauer der ehelichen Lebensgemeinschaft oder seines Alters oder seiner Gesundheit eine Selbsterhaltung nicht zugemutet werden kann. Ob die derartige Gestaltung der Ehe kausal für den Eintritt der in § 68a Abs. 2 S. 1 EheG aufgezählten Unzumutbarkeitsgründe Alter, Gesundheit, Dauer der ehelichen Lebensgemeinschaft gewesen sein muss, ist umstritten. Treten die Gründe für eine Unzumutbarkeit der Erwerbstätigkeit erst einige Zeit nach der Scheidung auf, kann dies ebenfalls einen Unterhaltsanspruch begründen.
Rz. 167
Der Unterhaltsanspruch besteht unabhängig vom Verschulden; er kann daher auch dem allein oder überwiegend schuldigen Ehegatten zustehen. Auch die Parteienrolle, in welcher der betreffende Ehegatte im Scheidungsverfahren aufgetreten ist, ist für die Gewährung dieses Unterhalts unbeachtlich. Er kann bei Vorliegen der Voraussetzungen auch verlangt werden, wenn es im Fall einer Scheidung im Einvernehmen an einer wirksamen Vereinbarung über die unterhaltsrechtlichen Beziehungen fehlt (§ 69b EheG). Die Höhe des Anspruchs richtet sich nach dem "Lebensbedarf" des berechtigten Ehegatten und ist nach der Rechtsprechung nach dem konkreten Bedarf in einem Bereich zwischen 15–33 % des Einkommens des Verpflichteten auszumitteln, wobei der angemessene Unterhalt gem. § 66 EheG tunlichst nicht erreicht werden soll. Von dem derart ermittelten Grundbetrag können je nach Lage des Einzelfalls Abschläge im Hinblick auf die Billigkeitsklausel nach § 68a Abs. 3 EheG (siehe Rdn 169) gemacht werden.
Rz. 168
Im Normalfall ist die zeitliche Dauer dieses Unterhalts beschränkt: Wird er vom Gericht festgesetzt, so ist er grundsätzlich zu befristen. Beim Unterhalt wegen aktueller Betreuung gemeinsamer Kinder wird die Unzumutbarkeit der Selbsterhaltung bis zur Vollendung des 5. Lebensjahres des jüngsten Kindes vermutet; danach kann er höchstens jeweils für drei Jahre zugesprochen werden. In Ausnahmefällen, etwa bei einer besonderen Betreuungsbedürftigkeit eines Kindes, kann das Gericht von einer Befristung absehen (§ 68a Abs. 1 EheG). Eine Befristung (wieder längstens auf jeweils drei Jahre) beim Unterhalt wegen ehebedingter Absenz vom Berufsleben ist vorzunehmen, wenn erwartet werden kann, dass der geschiedene Ehegatte danach in der Lage sein wird, sich selbst zu erhalten (§ 68a Abs. 2 EheG). Bei fortgeschrittenem Alter des Unterhaltsberechtigten wird von einer Befristung abzusehen sein.
Rz. 169
Der Unterhaltsanspruch nach § 68a EheG vermindert sich oder entfällt ganz, soweit die Gewährung des Unterhalts unbillig wäre, weil der Bedürftige einseitig besonders schwerwiegende Eheverfehlungen begangen oder seine Bedürftigkeit grob schuldhaft herbeigeführt hat oder ein gleich schwerwiegender Grund vorliegt; im Fall des § 68a Abs. 2 EheG auch, weil die Ehe nur kurz gedauert hat. Je gewichtiger diese Gründe sind, desto eher kann vom Unterhaltsberechtigten verlangt werden, seinen Unterhalt auch durch die Erträgnisse einer anderen als einer zumutbaren Erwerbstätigkeit oder aus dem Stamm seines Vermögens zu decken (§ 68a Abs. 3 EheG).
Rz. 170
Der Verpflichtete haftet vor den Verwandten des Berechtigten. Bei Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts sind primär die Verwandten und in zweiter Linie das Vermögen des Berechtigten heranzuziehen. Nur wenn dies nicht möglich ist, ist die Unterhaltspflicht nach Billigkeit einzuschränken (§ 71 und § 68a Abs. 4 i.V.m. § 67 Abs. 1 EheG).