Mag. Johanna Haunschmidt, Dr. Franz Haunschmidt
I. Notwendigkeit eines Verlassenschaftsverfahrens in Österreich
1. Allgemeines
Rz. 114
Die internationale Zuständigkeit österreichischer Gerichte in Verlassenschaftsangelegenheiten regelt die EuErbVO. Zuständig für die gesamte Abwicklung der Verlassenschaft ist grundsätzlich das Gericht am Aufenthaltsort des Erblassers.
2. Sicherungsmaßnahmen
Rz. 115
Für Sicherungsmaßnahmen bleibt die internationale Zuständigkeit jedes Mitgliedstaates zur Erlassung einstweiliger Maßnahmen aufrecht (Art. 19 EuErbVO).
3. Ausfolgungs- und Umsetzungsverfahren
Rz. 116
Liegt keine Voraussetzung für die Durchführung eines Verlassenschaftsverfahrens im Inland vor, ist die inländische bewegliche Verlassenschaft (z.B. Sparvermögen, Kontoguthaben, Wertpapiere und Safeinhalte) aufgrund einer Bestätigung des Wohnsitzstaates des Verstorbenen über Antrag den jeweiligen Berechtigten mittels Ausfolgungsverfahrens zu überlassen (§ 150 AußStrG). Ein Erbschein kann als eine solche Bestätigung angesehen werden. Im Verhältnis zu EU-Mitgliedstaaten ist ein diesem Zweck dienendes Ausfolgungsverfahren seit dem Inkrafttreten der EuErbVO nicht mehr erforderlich, da der Nachweis der Rechtsnachfolge hier mit einem Europäischen Nachlasszeugnis (ENZ) geführt werden kann. Daher wurde der Anwendungsbereich von § 150 AußStrG auf das Verhältnis zu Drittstaaten beschränkt.
Rz. 117
Beim unbeweglichen Vermögen stellt sich die Frage, ob ein ENZ den österreichischen Einantwortungsbeschluss ersetzen kann, sodass aufgrund dieser Urkunde auch Eintragungen im österreichischen Grundbuch (insb. Eigentümerwechsel) erfolgen können. Während dem Einantwortungsbeschluss rechtsgestaltende Wirkung zukommt, handelt es sich beim ENZ um keinen vollstreckbaren Titel, sondern lediglich um einen Ausweis über die nach dem anwendbaren Recht (Erbstatut) bestehende Rechtslage. Art. 69 Abs. 5 EuErbVO bezeichnet das ENZ als "wirksames Schriftstück" für die Eintragung des Nachlassvermögens in ein Register eines Mitgliedstaates. Die Mitgliedstaaten haben daher das ENZ als Nachweis der Erbenstellung zu akzeptieren.
Rz. 118
Auch § 33 Abs. 1 lit. d Grundbuchsgesetz (GBG) zählt das ENZ zu den öffentlichen Urkunden, aufgrund derer Einverleibungen erfolgen können. Das Grundbuchsgericht darf aufgrund des Charakters einer öffentlichen Urkunde des ENZ nicht die Vorlage anderer Dokumente (z.B. inländische öffentliche Urkunden oder gerichtliche Entscheidungen) verlangen. Das Fehlen der Bezeichnung der Liegenschaft in einem ENZ steht der grundbücherlichen Einverleibung des Eigentumsrechts der danach ausgewiesenen Erben nicht entgegen.
Rz. 119
Da die Verwendung des ENZ nicht verpflichtend ist, ist auch der Nachweis der Erbenstellung durch einen ausländischen Erbnachweis (z.B. deutscher Erbschein) gemäß § 33 Abs. 1 lit. d GBG möglich. Wenn mit einem deutschen Erbschein die Einverleibung des Eigentumsrechts an einer österreichischen Liegenschaft begehrt wird, greift der Richtervorbehalt nach § 16 Abs. 2 Z 6 RpflG.
II. Abwicklung eines Verlassenschaftsverfahrens in Österreich
1. Allgemeines
Rz. 120
Zuständig für das Verlassenschaftsverfahren ist das Bezirksgericht am letzten Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verstorbenen bzw. am Ort des Vermögens des Verstorbenen (§ 105 JN). Das Verlassenschaftsverfahren ist ein mündliches Verfahren vor dem Notar, der laut Geschäftsverteilung des Gerichts für die Verlassenschaftsabhandlung zuständig ist. Dieser Notar wird als Gerichtskommissär bezeichnet. In Gerichtsbezirken mit nur einem Notar ist dieser für Verlassenschaftsabhandlung zuständig. Bei mehreren Notaren im Gerichtssprengel erfolgt die Zuteilung nach einer vom Gericht festgelegten Geschäftsverteilung, die sich nach den Anfangsbuchstaben, nach dem Todestag oder dem letzten Wohnsitz des Verstorbenen richtet. Die für den Verfahrensablauf notwendigen Erklärungen, Anträge und Nachweise werden vor dem Gerichtskommissär (bei Tagsatzungen in seiner Kanzlei) zu Protokoll gegeben.
Rz. 121
Im Verlassenschaftsverfahren können die Parteien die für den Fortgang des Verfahrens erforderlichen Erklärungen, Anträge und Nachweise auch schriftlich verfassen und unmittelbar dem Verlassenschaftsgericht vorlegen (§ 144 AußStrG, § 3 Abs. 1 Gerichtskommissärgesetz – GKG). Hierfür können sich die Parteien eines (auch ausländischen) Bevollmächtigten (Rechtsanwalt, Notar) bedienen. Dieser Vertreter wird Erbenmachthaber genannt. Übersteigt der Wert der Verlassenschaftsaktiven voraussichtlich einen Betrag von 5.000 EUR, kann nur ein öffentlicher Notar oder Rechtsanwalt als Bevollmächtigter einschreiten (relativer Anwalts- und Notarszwang). Stellt sich während des Verlassenschaftsverfahrens heraus, dass das aktive Verlassenschaftsvermögen mehr als 5.000 EUR beträgt, hat das Verlassenschaftsgericht dies den Parteien und ihren Vertretern mitzuteilen. Mit Zustellung dieser Mitteilung erlischt die Vertretungsbefugnis des bisher Bevollmächtigten (§ 3 GKG). Die Parteie...