Prof. Dr. Susanne Ferrari, Dr. Marion Koch-Hipp
Rz. 171
In § 69 Abs. 2 EheG ist der günstigste nacheheliche Unterhalt normiert, der einem geschiedenen Ehegatten zukommen kann. Ein Anspruch darauf besteht, wenn bei Scheidung wegen Auflösung der häuslichen Gemeinschaft – was gem. § 55 Abs. 1 EheG frühestens nach drei Jahren der Heimtrennung möglich ist – erstens derjenige Gatte, der die Zerrüttung der Ehe allein oder überwiegend verschuldet hat, in der Klägerrolle aufgetreten ist. Zweitens muss auf Antrag des beklagten Ehegatten das alleinige oder überwiegende Verschulden des Klägers an der Zerrüttung ausgesprochen worden sein (§ 69 Abs. 2 i.V.m. § 61 Abs. 3 EheG). Dieser besonders günstige Unterhaltsanspruch wird mitunter etwas sarkastisch als Durchhalte- oder Leidensprämie bezeichnet. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass der Ehegatte "belohnt" wird, der trotz der Verfehlungen des anderen an der Ehe festhält, obwohl er selbst die Scheidung wegen Verschuldens des anderen hätte begehren können bzw. u.U. noch immer begehren könnte. Wer also wegen Verfehlungen seines Ehegatten die Scheidung wegen Verschuldens erreichen könnte, ist aus unterhaltsrechtlicher Sicht besser beraten, an der Ehe festzuhalten und die Klage des schuldigen Teils nach § 55 EheG abzuwarten, um in den Genuss des günstigsten Unterhaltsanspruchs zu gelangen.
Rz. 172
Der Unterhaltsanspruch besteht dann im Wesentlichen wie bei aufrechter Ehe (§ 94 ABGB; siehe Rdn 39 ff.) weiter. War der berechtigte Gatte nicht erwerbstätig, muss er auch nach der Scheidung keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, selbst wenn ihm dies zumutbar wäre. Der Unterhaltsanspruch ist unbefristet und geht jenem eines neuen Ehegatten prinzipiell vor, solange nicht dessen Berücksichtigung aus Gründen der Billigkeit geboten wäre (§ 69 Abs. 2 EheG). Jedenfalls umfasst der Unterhaltsanspruch den Ersatz der Beiträge zur freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung. Sobald die Ehe rechtskräftig geschieden ist, endet die Mitversicherung beim Ehegatten und der geschiedene Ehegatte muss sich selbst versichern (gesetzliche Sozialversicherung; siehe näher Rdn 90, 197 und 197). Diese Beiträge kann der Berechtigte nicht zusätzlich verlangen; sie sind von seinem gesetzlichen Unterhaltsanspruch mitumfasst. Sie gelten aber als eine Art Mindestunterhalt, der dem Berechtigten unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten zusteht. Unter bestimmten Voraussetzungen (§ 264 Abs. 10 ASVG) gebührt dem Unterhaltsberechtigten auch die volle Witwen- bzw. Witwerpension (siehe Rdn 205).
Rz. 173
Der Verpflichtete haftet vor den Verwandten des Berechtigten. Nur wenn der eigene angemessene Unterhalt des Verpflichteten gefährdet wäre, sind primär die Verwandten heranzuziehen (§ 71 Abs. 1 EheG).