Prof. Dr. Susanne Ferrari, Dr. Marion Koch-Hipp
Rz. 122
Will der Beklagte ein Verschulden des Klägers geltend machen, so kann er eine Widerklage erheben, wenn er auch die Scheidung erreichen will. Selbst wenn der Kläger mit seinem Begehren nicht durchdringt, kommt es bei erfolgreicher Widerklage zur Scheidung der Ehe. Ist der beklagte Ehegatte hingegen nicht scheidungswillig, kann er einen Mitverschuldensantrag (§ 60 Abs. 3 EheG) bzw. Verschuldensantrag nach § 61 Abs. 2 EheG stellen, wobei er sich aber nur auf Eheverfehlungen berufen kann, die ihn selbst zur Scheidung berechtigt hätten. Je nach Verschulden der Beteiligten lautet dann der Schuldausspruch im Urteil (alleiniges, überwiegendes oder gleichteiliges Verschulden). Nach st. Rechtsprechung ist das überwiegende Verschulden eines Ehegatten nur dann auszusprechen, wenn es erheblich schwerer wiegt als das des anderen.
Rz. 123
Bei einer Scheidung nach § 55 EheG wegen Auflösung der häuslichen Gemeinschaft ist auf Antrag des Beklagten im Urteil auszusprechen, dass der Kläger die Zerrüttung allein oder überwiegend verschuldet hat (§ 61 Abs. 3 EheG). Dabei ist auf Grundlage des wechselseitigen Verhaltens beider Ehegatten das Verschulden zu prüfen, wobei verfristete, verziehene und verzichtete Eheverfehlungen ebenso zu berücksichtigen sind wie die Feststellung, welcher Ehegatte mit der Zerrüttung der Ehe begonnen bzw. den Auslöser für die unheilbare Ehezerrüttung gesetzt hat. Stellt sich heraus, dass den Kläger kein alleiniges oder überwiegendes Verschulden am Scheitern der Ehe trifft, ist der Antrag des Beklagten abzuweisen. Der Verschuldensausspruch hat Bedeutung für den privilegierten nachehelichen Unterhalt nach § 69 Abs. 2 EheG samt sozialversicherungsrechtlichen Folgen und für die Verfahrenskosten, in eingeschränktem Ausmaß auch für das Schicksal der Ehepakte (§ 1266 ABGB) und die nacheheliche Vermögensaufteilung. Siehe dazu Rdn 171 ff.