Mag. Johanna Haunschmidt, Dr. Franz Haunschmidt
1. Allgemeines
Rz. 120
Zuständig für das Verlassenschaftsverfahren ist das Bezirksgericht am letzten Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verstorbenen bzw. am Ort des Vermögens des Verstorbenen (§ 105 JN). Das Verlassenschaftsverfahren ist ein mündliches Verfahren vor dem Notar, der laut Geschäftsverteilung des Gerichts für die Verlassenschaftsabhandlung zuständig ist. Dieser Notar wird als Gerichtskommissär bezeichnet. In Gerichtsbezirken mit nur einem Notar ist dieser für Verlassenschaftsabhandlung zuständig. Bei mehreren Notaren im Gerichtssprengel erfolgt die Zuteilung nach einer vom Gericht festgelegten Geschäftsverteilung, die sich nach den Anfangsbuchstaben, nach dem Todestag oder dem letzten Wohnsitz des Verstorbenen richtet. Die für den Verfahrensablauf notwendigen Erklärungen, Anträge und Nachweise werden vor dem Gerichtskommissär (bei Tagsatzungen in seiner Kanzlei) zu Protokoll gegeben.
Rz. 121
Im Verlassenschaftsverfahren können die Parteien die für den Fortgang des Verfahrens erforderlichen Erklärungen, Anträge und Nachweise auch schriftlich verfassen und unmittelbar dem Verlassenschaftsgericht vorlegen (§ 144 AußStrG, § 3 Abs. 1 Gerichtskommissärgesetz – GKG). Hierfür können sich die Parteien eines (auch ausländischen) Bevollmächtigten (Rechtsanwalt, Notar) bedienen. Dieser Vertreter wird Erbenmachthaber genannt. Übersteigt der Wert der Verlassenschaftsaktiven voraussichtlich einen Betrag von 5.000 EUR, kann nur ein öffentlicher Notar oder Rechtsanwalt als Bevollmächtigter einschreiten (relativer Anwalts- und Notarszwang). Stellt sich während des Verlassenschaftsverfahrens heraus, dass das aktive Verlassenschaftsvermögen mehr als 5.000 EUR beträgt, hat das Verlassenschaftsgericht dies den Parteien und ihren Vertretern mitzuteilen. Mit Zustellung dieser Mitteilung erlischt die Vertretungsbefugnis des bisher Bevollmächtigten (§ 3 GKG). Die Parteien müssen in diesem Fall entweder weitere Schriftsätze ohne Einschaltung des bisherigen Vertreters persönlich im eigenen Namen oder unter Beiziehung eines Notars oder Rechtsanwalts überreichen. Selbstverständlich kann jederzeit auch zum mündlichen Verfahren zurückgekehrt werden. Der Gerichtskommissär hat im schriftlichen Verlassenschaftsverfahren lediglich die Todesfallaufnahme zu errichten und die damit in Zusammenhang stehenden unaufschiebbaren Maßnahmen zu setzen sowie gegebenenfalls ein Inventar zu errichten.
Rz. 122
Das Verlassenschaftsgericht selbst (und weder der Gerichtskommissär noch ein Erbenmachthaber) ist zuständig für (§ 1 Abs. 2 GKG):
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die Registrierung und Verwaltung der Verlassenschaftsakten; |
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Beschlüsse (Entscheidungen) über die Erklärungen, Anträge und Nachweise der Parteien; |
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das Verfahren bei Erbrechtsstreitigkeiten; |
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Rechtshilfeersuchen an ausländische Behörden. |
2. Verfahrenseinleitung
a) Todesfallaufnahme
Rz. 123
Das Verlassenschaftsverfahren wird von Amts wegen eingeleitet, sobald aufgrund einer öffentlichen Urkunde (Sterbeurkunde, Sterbemitteilung, Todeserklärung oder Todesbeweis) oder sonst auf unzweifelhafte Weise ein Todesfall bekannt wird. Die Personenstandsbehörden sind verpflichtet, das für den Wohnort eines Verstorbenen zuständige Bezirksgericht zu verständigen. Das Bezirksgericht hat wiederum den Gerichtskommissär hiervon zu verständigen. Der Gerichtskommissär hat zunächst die Todesfallaufnahme zu errichten. Die Todesfallaufnahme findet in der Kanzlei des Gerichtskommissärs statt. Sie dient insbesondere der Feststellung der erbberechtigten Personen sowie der vollständigen Erfassung des Verlassenschaftsvermögens. Die Angehörigen des Verstorbenen werden hierzu schriftlich vorgeladen und über die näheren Lebens- und Vermögensverhältnisse des Verstorbenen befragt, wobei ein Formblatt ausgefüllt wird. Schreitet ein Erbenmachthaber ein, übersendet dieser das Todesfallaufnahmeformular dem Gerichtskommissär.
Rz. 124
Der Zweck der Todesfallaufnahme ist die Ermittlung des Vermögens des Verstorbenen, seiner Verbindlichkeiten, der gesetzlichen und testamentarischen Erben, der Pflichtteilsberechtigten, allfälliger letztwilliger Verfügungen – vor allem auch durch Anfrage beim Testamentsregister – und der Prüfung, ob Sicherungsmaßnahmen, wie z.B. die Sicherstellung und Verwahrung von Wertgegenständen, durchzuführen sind. Sind Angehörige nicht zu erreichen, wird die Todesfallaufnahme nach der Aktenlage errichtet. Insbesondere durch die COVID-Pandemie wurden in Notariatskanzleien auch technische Einrichtungen geschaffen, die Todesfallaufnahme amtswegig unter Beiziehung der Angehörigen mittels Videokonferenz, Telefon, E-Mail etc. zu errichten.
Rz. 125
Das Ergebnis der Todesfallaufnahme bildet die Grundlage für das weitere Verlassenschaf...