Prof. Dr. Susanne Ferrari, Dr. Marion Koch-Hipp
Rz. 136
Die internationale Zuständigkeit in Ehesachen ist für Österreich und alle anderen Mitgliedstaaten der EU mit Ausnahme von Dänemark durch die Brüssel IIa-VO (EUEheVO 2003) einheitlich geregelt. Sie ist unmittelbar anwendbar und verdrängt nationales Zuständigkeitsrecht, soweit die Art. 3 ff. der Verordnung selbst nichts anderes vorsehen. Es kommt nicht darauf an, dass es sich um einen (EU-)Binnensachverhalt handelt; auch im Verhältnis zu Drittstaaten kommen die Zuständigkeitsregeln der Brüssel IIa-VO zur Anwendung. Österreichische Gerichte haben daher ihre Zuständigkeit immer zuerst anhand der unmittelbar anzuwendenden Brüssel IIa-VO zu prüfen.
Rz. 137
In den sachlichen Bereich der Brüssel IIa-VO fallen aus österreichischer Sicht nur statusändernde Verfahren, wie die Klagen auf Scheidung (§§ 46 ff. EheG), Aufhebung (§§ 33 ff. EheG) oder Nichtigerklärung der Ehe (§§ 20 ff. EheG) sowie die einvernehmliche Scheidung (§ 55a EheG), nicht aber etwa die Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der Ehe, da sie keine rechtsgestaltende Funktion hat.
Rz. 138
Autonomes nationales Zuständigkeitsrecht kommt nur unter den in Art. 6 und 7 Brüssel IIa-VO geregelten Voraussetzungen zur Anwendung. Kommt demnach nationales Restzuständigkeitsrecht zur Anwendung, ist noch Art. 7 Abs. 2 Brüssel IIa-VO zu beachten, der EU-Ausländern die Inländergleichbehandlung sichert: Die nationale Restzuständigkeit kann auch von Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaates in Anspruch genommen werden, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Forumstaat haben.
Rz. 139
Für streitige Scheidungen sind die österreichischen Gerichte nach § 76 Abs. 2 JN jedenfalls international zuständig, wenn ein Ehegatte österreichischer Staatsangehöriger ist. Ist keiner der Ehegatten österreichischer Staatsangehöriger, so ist die internationale Zuständigkeit nur gegeben, wenn die beklagte Partei ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat oder wenn die klagende Partei ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat und entweder beide Ehegatten ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich gehabt haben oder die klagende Partei staatenlos ist oder zur Zeit der Eheschließung österreichische Staatsangehörige gewesen ist. Da es sich hierbei um eine taxative Aufzählung handelt, begründet die bloße Tatsache der Eheschließung in Österreich keine inländische Gerichtsbarkeit für die Klage auf Ehescheidung. Die inländische Gerichtsbarkeit kann nicht vereinbart werden.
Rz. 140
Die internationale Zuständigkeit für die einvernehmliche Scheidung nach § 55a EheG ergibt sich aus § 114a Abs. 4 JN. Demnach sind die österreichischen Gerichte international zuständig, wenn ein Ehegatte die österreichische Staatsangehörigkeit besitzt (auch wenn sich beide Ehegatten im Ausland aufhalten) oder ein Ehegatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat (auch wenn keiner der Ehegatten österreichischer Staatsangehöriger ist). Eine Vereinbarung der inländischen Gerichtsbarkeit ist auch im Bereich der einvernehmlichen Scheidung unwirksam und eine Heilung des Fehlers nicht möglich.