Prof. Dr. Susanne Ferrari, Dr. Marion Koch-Hipp
1. Allgemeines
Rz. 54
Das österreichische Eherecht basiert auf dem partnerschaftlichen Prinzip: Nach § 89 ABGB sind die persönlichen Rechte und Pflichten der Ehegatten im Verhältnis zueinander gleich. § 90 ABGB verpflichtet die Ehegatten wechselseitig zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, insbesondere zum gemeinsamen Wohnen, sowie zur Treue, zur anständigen Begegnung, zum Beistand und unter gewissen Voraussetzungen zur Mitwirkung im Erwerb des anderen. Durch das FamRÄG 2009 ist mit § 90 Abs. 3 ABGB auch eine Bestimmung geschaffen worden, nach der jeder Ehegatte dem anderen bei der Ausübung der Obsorge für dessen Kinder in angemessener Weise beizustehen hat. Soweit es die Umstände erfordern, vertritt er ihn auch in den Angelegenheiten des täglichen Lebens (§ 90 Abs. 3 S. 2 ABGB). Damit wollte der Gesetzgeber der immer häufigeren Lebensform der Stief- bzw. Patchworkfamilie Rechnung tragen.
2. Pflicht zum gemeinsamen Wohnen
Rz. 55
Für Ehegatten besteht grundsätzlich eine Pflicht zum gemeinsamen Wohnen (§ 90 ABGB). Bei gerechtfertigten Gründen kann aber ein Ehegatte die Verlegung der gemeinsamen Wohnung verlangen. Dem muss der andere entsprechen, außer er hat gerechtfertigte Gründe von zumindest gleichem Gewicht, nicht mitzuziehen (§ 92 Abs. 1 ABGB). Die gesonderte Wohnungnahme ist zulässig, wenn das Zusammenleben mit dem anderen Gatten bspw. wegen körperlicher Bedrohung, Misshandlung, Alkoholismus oder Hervorrufung einer psychischen Dauerbelastung unzumutbar ist. Ebenso gestattet das Gesetz die gesonderte Wohnungnahme, wenn sie aus wichtigen persönlichen Gründen wie Krankheit oder Pflege eines nahen Angehörigen gerechtfertigt ist. Zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer gemeinsamen Wohnungsverlegung bzw. der Weigerung mitzuziehen sowie einer gesonderten Wohnungnahme kann jeder Ehegatte das Außerstreitgericht anrufen (§ 92 Abs. 3 ABGB).
3. Mitwirkung im Erwerb
Rz. 56
Nach § 90 Abs. 2 ABGB hat ein Ehegatte im Erwerb des anderen mitzuwirken, soweit ihm dies zumutbar, es nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten üblich und nicht anderes vereinbart ist. Die Mitwirkungspflicht ist somit dispositiver Natur und kann – auch schon im Vorhinein, etwa bei der Eheschließung – abbedungen werden.
Rz. 57
Der Ehegatte, der im Erwerb des anderen mitwirkt, hat einen Anspruch auf angemessene Abgeltung seiner Mitwirkung. Nach der Rechtsprechung handelt es sich beim Anspruch des mittätigen Ehegatten um einen Gewinnbeteiligungsanspruch: Ein Abgeltungsanspruch besteht demnach nur, wenn im Betrieb ein Gewinn erzielt werden konnte. Die Höhe des Anspruchs richtet sich nach Art und Dauer der Leistungen unter Berücksichtigung der gesamten Lebensverhältnisse der Ehegatten, besonders der gewährten Unterhaltsleistungen (§ 98 ABGB). Der gesetzliche Anspruch nach § 98 ABGB verjährt in sechs Jahren vom Ende des Monats an, in dem die Leistung erbracht worden ist (§ 1486a ABGB), wobei auch die aufrechte Ehe die Verjährung grundsätzlich nicht hemmt (§ 1495 S. 2 ABGB). Zur Berücksichtigung der Mitwirkung im Erwerb bei der nachehelichen Vermögensaufteilung siehe Rdn 152.
Rz. 58
Den Ehegatten steht es selbstverständlich frei, Ansprüche aus einer Mitwirkung im Erwerb des anderen vertraglich zu regeln. Die vertraglichen Regelungen verdrängen grundsätzlich den gesetzlichen Anspruch nach § 98 ABGB (§ 100 ABGB). Wird allerdings ein Dienstvertrag begründet, bleibt aufgrund der ausdrücklichen Anordnung des § 100 ABGB der Anspruch nach § 98 ABGB insoweit gewahrt, als er den vertraglichen Anspruch übersteigt. Entgeltansprüche aus einem Dienstvertrag verjähren nach § 1486 Z. 5 ABGB binnen drei Jahren, wobei zu beachten ist, dass die Verjährung während der Dauer der Ehe gehemmt ist (§ 1495 S. 1 ABGB).
Rz. 59
Praxishinweis: Einem mittätigen Ehegatten ist daher zu raten, auf den Abschluss eines Dienstvertrages zu dringen; hierbei ist der im Erwerb mitarbeitende Ehegatte überdies sozialversichert, was sich auch auf den Pensionsanspruch auswirkt, und es steht ihm im Falle einer Trennung auch ein Anspruch auf Kündigungsentschädigung und Abfertigung zu.
4. Haushaltsführung
Rz. 60
Die Ehegatten haben an der Führung des gemeinsamen Haushalts mitzuwirken. Dabei ist auf die persönlichen Verhältnisse und besonders auf die berufliche Belastung Rücksicht zu nehmen (§ 95 S. 1 ABGB). Ist jedoch ein Ehegatte nicht erwerbstätig, so obliegt diesem die Haushaltsführung; der berufstätige Gatte ist aber nach Maßgabe des § 91 ABGB zur Mithilfe verpflichtet (§ 95 S. 2 ABGB), wobei auf das Ausmaß seiner beruflichen Belastung Rücksicht zu nehmen ist. Sind beide Gatten erwerbstätig oder nicht (mehr)...