I. Rechtsgrundlagen
Rz. 231
Die Geschäftsführer und Liquidatoren der GmbH sind verpflichtet, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen, wenn ein Insolvenzgrund vorliegt (§ 69 IO). Insolvenzgründe sind Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft. Zu den Insolvenzgründen siehe Rdn 233 f. Wenn allerdings Sanierungsmaßnahmen sorgfältig betrieben werden und aussichtsreich sowie realisierbar erscheinen, steht den Geschäftsführern nach dem Eintritt von Überschuldung und/oder Zahlungsunfähigkeit eine Frist von 60 Tagen zu Zwecken der Sanierung zur Verfügung (§ 69 Abs. 2 IO). Unterlassen die Geschäftsführer diese Maßnahmen und beantragen auch keine Insolvenzeröffnung, so kann fahrlässige Insolvenzverschleppung vorliegen (§ 69 IO, § 159 Abs. 1 Ziff. 2 StGB). Als finanzielle Sanierungsmaßnahmen kommen z.B. in Betracht:
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effektive Kapitalerhöhung (siehe Rdn 79 ff.) |
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Voreinzahlungen auf eine beschlossene Kapitalerhöhung |
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Einforderung der ausständigen Stammeinlagen (siehe Rdn 61 ff.) |
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Nachschüsse (siehe Rdn 124) |
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Gewährung von Gesellschafterdarlehen (siehe Rdn 75). |
II. Krise der Gesellschaft
Rz. 232
Nach den Bestimmungen des Unternehmensreorganisationsgesetzes (URG) können die Geschäftsführer in einer Krisensituation Antrag auf Einleitung eines Reorganisationsverfahrens stellen (§ 1 URG). Rechtsfolge der Unterlassung ist eine Haftung der Geschäftsführer in der Insolvenz für die in der Insolvenzmasse nicht gedeckten Verbindlichkeiten bis zu einem Höchstbetrag von 100.000 EUR (§ 22 URG). Die Bestimmungen gelten jedoch nur für abschlussprüfungspflichtige Gesellschaften. Es haften der/die Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft. Die Haftung kann nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden (§ 28 URG). Die Haftung tritt jedoch nur ein, wenn die Geschäftsführer
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innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem Insolvenzverfahren einen Bericht des Abschlussprüfers erhalten haben, wonach die Eigenmittelquote weniger als 8 % und die fiktive Schuldentilgungsdauer mehr als 15 Jahre beträgt (§ 22 Abs. 1 Ziff. 1 URG), oder |
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den Jahresabschluss nicht oder nicht rechtzeitig aufgestellt oder nicht unverzüglich den Abschlussprüfer mit dessen Prüfung beauftragt haben (§ 22 Abs. 1 Ziff. 2 URG). |
III. Insolvenzgründe
1. Überschuldung, Zahlungsunfähigkeit
Rz. 233
Eine zur Insolvenzanmeldung verpflichtende Überschuldung liegt vor, wenn
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das Vermögen der GmbH unter Ansatz von Liquidationswerten unter Einbeziehung der stillen Reserven die bestehenden Verbindlichkeiten nicht deckt (rechnerische Überschuldung) und |
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die Finanzkraft der GmbH nach überwiegender Wahrscheinlichkeit mittelfristig nicht zur Fortführung des Unternehmens ausreicht (negative Fortbestehensprognose). |
Rz. 234
Der Insolvenzanmeldungsgrund der Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn
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die Gesellschaft ihre Zahlungen einstellt (§ 66 Abs. 2 IO) und |
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bei redlicher wirtschaftlicher Gebarung auch nicht in der Lage ist, die notwendigen Mittel alsbald zu beschaffen. |
Rz. 235
Die Beurteilung, ob eine Insolvenzantragspflicht besteht, obliegt den Geschäftsführern. Ab dem Zeitpunkt der Verpflichtung zur Insolvenzanmeldung dürfen die Geschäftsführer keine Zahlungen mehr leisten (§ 25 Abs. 3 Ziff. 2 GmbHG) und keine neuen Schulden eingehen, aber auch keine Sicherheiten bestellen und auf diese Weise eine Masseschmälerung bewirken (§ 159 Abs. 1 Ziff. 2 StGB).
2. Haftung der Geschäftsführer
Rz. 236
Bei abschlussprüfungspflichtigen Gesellschaften haften die Geschäftsführer nach § 22 URG (siehe Rdn 232). Weiters haften die Geschäftsführer persönlich für die Anlaufkosten des Insolvenzverfahrens. Diese Haftung ist mit 4.000 EUR begrenzt (§ 72a IO). Die genannten Haftungen bestehen nur gegenüber der GmbH. Eine unmittelbare Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern besteht nur in folgenden Fällen:
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Wenn die Geschäftsführer bei einer ordentlichen Kapitalherabsetzung bei der Firmenbuchanmeldung falsche Angaben machen (§ 56 Abs. 3 GmbHG). |
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Wenn die Geschäftsführer die Anmeldung von Einforderungen weiterer Einzahlungen auf nicht voll eingezahlte Stammeinlagen unterlassen oder dabei falsche Angaben machen (§ 64 Abs. 2 GmbHG). |
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Wenn die Geschäftsführer gegen ein Schutzgesetz i.S.d. § 1311 ABGB verstoßen, haften sie den Gläubigern gegenüber aus Delikt. Schutzgesetze sind z.B. fahrlässige Krida (§ 159 StGB), Veruntreuung (§ 133 StGB), Verletzung der Verpflichtung zur Insolvenzanmeldung (§ 69 IO). |
Daneben bestehen die allgemeinen Haftungsgründe (siehe Rdn 179 f.).
3. Haftung der Gesellschafter
Rz. 237
Die Gesellschafter haften auch in der Insolvenz nur aus den allgemeinen Haftungsgründen (siehe Rdn 125 ff.).