Prof. Dr. Susanne Ferrari, Dr. Marion Koch-Hipp
1. Vermögensaufteilung
Rz. 235
Die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach den §§ 81 ff. EheG zählt zu den außerstreitigen Eheangelegenheiten, bei welchen sich die internationale Zuständigkeit nach § 114a Abs. 4 JN richtet. Demnach sind die österreichischen Gerichte international zuständig, wenn ein Ehegatte die österreichische Staatsangehörigkeit besitzt oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Die inländische Gerichtsbarkeit ist demnach (bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 114a Abs. 4 JN) unabhängig davon gegeben, ob sich das bewegliche oder unbewegliche Gebrauchsvermögen und die ehelichen Ersparnisse im Inland oder Ausland befinden.
2. Nachehelicher Unterhalt
Rz. 236
Die internationale Zuständigkeit für den nachehelichen Unterhalt richtet sich seit dem 18.6.2011 unmittelbar nach der EU-Unterhaltsverordnung (EU-UnterhaltsVO). Die EU-UnterhaltsVO gilt unmittelbar in allen Mitgliedstaaten. Sonstige internationale Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten sind durch die EU-UnterhaltsVO verdrängt worden (Art. 69 Abs. 2 EU-UnterhaltsVO). Weiter anzuwenden ist aber das Luganer Übereinkommen (LGVÜ), welches die internationale Zuständigkeit sowie die Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen regelt, im Verhältnis zur Schweiz, zu Norwegen und zu Island. Im Verhältnis zu den USA, Australien und den kanadischen Provinzen sind Gegenseitigkeitsverordnungen auf Basis des AUG 2014 anwendbar.
Rz. 237
Die Rechtsanhängigkeit vor den Gerichten eines Drittstaates wird durch die EU-UnterhaltsVO nicht geregelt. Diese Frage ist nach nationalem Verfahrensrecht zu beurteilen, wonach die Streitanhängigkeit nur dann zu berücksichtigen ist, wenn die ausländische Entscheidung voraussichtlich im Inland anerkannt und vollstreckt werden kann.
3. Verteilung der elterlichen Sorge
Rz. 238
Die internationale Zuständigkeit bei der elterlichen Verantwortung, somit auch bei der Obsorge, richtet sich primär nach der Brüssel IIa-VO (Art. 8 ff. i.V.m. Art. 2 Nr. 7 Brüssel IIa-VO).
Rz. 239
Die Brüssel IIa-VO verdrängt hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit das KSÜ, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat der EU (außer Dänemark) hat (Art. 61 lit. a Brüssel IIa-VO, Art. 52 Abs. 2 KSÜ). Die KSÜ-Regeln über die inländische Gerichtsbarkeit kommen daher nur zu Anwendung, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem KSÜ-Vertragsstaat, nicht aber in einem Mitgliedstaat der Brüssel IIa-VO hat. Die Brüssel IIa-VO verdrängt nach Art. 60 lit. a das MSA im Verhältnis der Mitgliedstaaten zueinander; gegenüber EU-übergreifenden multilateralen Übereinkommen hat die Brüssel IIa-VO nur im Verhältnis zwischen Mitgliedstaaten Vorrang (Art. 60 Brüssel IIa-VO).
Rz. 240
Nationales Zuständigkeitsrecht kommt nur in Frage, wenn sich keine Zuständigkeit nach der Brüssel IIa-VO ergibt und das Kind keinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem KSÜ-Vertragsstaat hat oder einem Staat, mit dem es ein bilaterales Abkommen gibt. Nach § 110 JN ist die inländische Gerichtsbarkeit gegeben, wenn der Minderjährige österreichischer Staatsangehöriger ist oder er den (gewöhnlichen) Aufenthalt im Inland hat oder er Vermögen im Inland hat, soweit es um dieses Vermögen betreffende Maßnahmen geht (§ 110 Abs. 1 JN).
Rz. 241
Das Haager Kindesentführungsübereinkommen (HKÜ) ist ein weiteres wichtiges Übereinkommen auf familienrechtlichem Gebiet, dessen Hauptziel die sofortige Rückgabe eines widerrechtlich ins Ausland verbrachten oder dort zurückgehaltenen Kindes sicherstellt. Das HKÜ geht dem KSÜ in seinem Anwendungs- und Regelungsbereich vor. Die Brüssel IIa-VO ergänzt und modifiziert das HKÜ bei Entführungen zwischen Mitgliedstaaten.