Einführung

Abkürzungen

Österreichische Gesetze

ABGB = Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch vom 1.6.1811; AnerbenG = Anerbengesetz (BGBl 1958/106); AußStrG = Bundesgesetz über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen (Außerstreitgesetz) vom 12.12.2003 (BGBl I 2003/111); JN = Gesetz vom 1.8.1895 über die Ausübung der Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte in bürgerlichen Rechtssachen (Jurisdiktionsnorm) (RGBl 1895/111); IO = Insolvenzordnung (BGBl); NO = Notariatsordnung (RGBl 1871/75); östWEG = Bundesgesetz über das Wohnungseigentum 2002 (BGBl I 2002/70); PSG = Privatstiftungsgesetz (BGBl 694/1993).

Österreichische Verkündungsblätter und Zeitschriften

BGBl = Österreichisches Bundesgesetzblatt; EvBl = Evidenzblatt der Rechtsmittelentscheidungen, seit 1946 enthalten in der Österreichische Juristen-Zeitung (ÖJZ); JBl = Juristische Blätter; NZ = Österreichische Notariatszeitung; LGBl = Landesgesetzblatt; RdW = Österreichisches Recht der Wirtschaft; RGBl = Reichsgesetzblatt; ZfRV = (österreichische) Zeitschrift für Rechtsvergleichung.

Bei sämtlichen Rechtsprechungsnachweisen wird die Geschäftszahl der jeweiligen Entscheidung angeführt. Diese können kostenlos im Internet über das frei zugängliche RIS (http://ris.bka.gv.at) nachgelesen werden.

A. Gerichtszuständigkeit und anwendbares Recht aus österreichischer Sicht

I. Gerichtszuständigkeit

 

Rz. 1

Für die Frage, ob bei einer internationalen Erbschaft ein Verlassenschaftsverfahren in Österreich stattfindet, ist seit 17.8.2015 in Österreich die EU-Erbrechtsverordnung (EuErbVO) maßgeblich. Anknüpfungspunkt für die Gerichtszuständigkeit ist primär der gewöhnliche Aufenthaltsort des Erblassers in der EU.[1]

 

Rz. 2

Für die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses (ENZ) sind in Österreich sachlich die Verlassenschaftsgerichte zuständig, funktionell in bestimmten Fällen der Gerichtskommissär (§ 181b Abs. 2 AußStrG, § 1 Abs. 1 Z 1 lit. d GKG).[2]

[1] Vgl. Bajons, ecolex 2014, 204.
[2] Steiner, in: Kodek/Neumayer, Zak Spezial – das neue Erbrecht, 2017, S. 138.

II. Anwendbares Recht

 

Rz. 3

Nach Art. 21 EuErbVO unterliegt die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht jenes Mitgliedstaates, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Ergibt sich aus der Gesamtheit der Umstände eine "engere Verbindung" zu einer anderen Rechtsordnung, ist diese anwendbar. Auf die Staatsangehörigkeit des Erblassers kommt es jedenfalls nicht mehr an.

 

Rz. 4

Aus österreichischer Sicht stellen die Sondererbfolgeregelungen des Anerbenrechts und des § 14 WEG (Wohnungseigentum von zwei Partnern im Ablebensfall) sowie die Bestimmungen des Grundverkehrsrechts Ausnahmen dar, für die der Grundsatz der Nachlasseinheit nicht gilt (Art. 30 EuErbVO).[3] Der österreichische OGH tendiert jedoch dazu, § 14 WEG als generelle Ausnahme von der EuErbVO zu sehen, sodass weiterhin die österreichischen Gerichte zu dessen Umsetzung zuständig sind.[4]

 

Rz. 5

Für die Zulässigkeit und Rechtswirksamkeit einer letztwilligen Anordnung ist auf das Recht des Aufenthaltsortes des Erblassers oder dessen zulässige Rechtswahl zum Zeitpunkt der Errichtung abzustellen (Art. 24 Abs. 1 EuErbVO).

[3] Krist, NZ 2016, 126.
[4] OGH 20.6.2017, 2 Ob 104/17h.

III. Gestaltungsmöglichkeiten

 

Rz. 6

Erblasser und Erbanwärter können nach den Bestimmungen der EuErbVO auf Erbstatut und Gerichtszuständigkeit Einfluss nehmen. Der Erblasser kann mittels letztwilliger Anordnung das Recht jenes Staates wählen, dem der Erblasser zum Zeitpunkt seiner Rechtswahl oder seines Todes als Staatsbürger angehört. In diesem Fall können die Erbprätendenten eine Verlagerung der Gerichtszuständigkeit vom Aufenthaltsstaat zum Heimatstaat des Erblassers vereinbaren oder beantragen.

IV. Bilaterale Abkommen

 

Rz. 7

Zusätzliche Regelungen bestehen aufgrund bilateraler Abkommen mit Bulgarien (BGBl 1976/342), Estland (1929/266), Frankreich (BGBl 1967/288), Griechenland (RGBl 1856/169), Großbritannien (BGBl 1964/19 idF BGBl 1980/416), Iran (BGBl 1966/45), Italien (BGBl 1974/521), Jugoslawien und Nachfolgestaaten (BGBl 1955/224), Polen (BGBl 1974/79, 1975/383), Rumänien (BGBl 1972/317), Russland (BGBl 1960/21), Tschechien (BGBl 1962/309, 1980/526) und Ungarn (BGBl 1967/306, 1977/146).

 

Rz. 8

Zwischen Mitgliedstaaten geschlossene Übereinkommen haben Anwendungsvorrang gegenüber der EuErbVO (Art. 75 EuErbVO).[5] Ein Anwendungsvorrang gilt für das Haager Testamentsformübereinkommen und das Nordische Übereinkommen. Im Übrigen werden zwischen Mitgliedstaaten bestehende Abkommen durch die EuErbVO verdrängt (Art. 75 Abs. 2 EuErbVO). In Kraft bleiben nur die Abkommen mit Drittstaaten (Art. 75 Abs. 1 EuErbVO).

[5] Schauer, AnwBl 2016, 254.

B. Materielles Erbrecht

I. Grundbegriffe

 

Rz. 9

Grundsätzlich kann nach österreichischem Recht jeder von Todes wegen über sein Vermögen frei verfügen (Prinzip der Testierfreiheit). Für den Fall, dass der Verstorbene keine Regelung getroffen hat, tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Diese orientiert sich am Willen eines durchschnittlichen Verstorbenen und weist das vererbbare Vermögen dem Ehepartner und den nächsten Verwandten des Verstorbenen zu.

 

Rz. 10

Zwischen Testierfreiheit und gesetzlicher Erbfolge schafft das P...

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