Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschwindigkeitsüberschreitung. Rechtsfolgenausspruch. Fahrverbot. Vorahndung. Beharrlichkeit. Fahrverbotsausnahme. Beratung. verkehrspsychologische Einzelschulung. Gruppenschulung. Warnfunktion. Denkzettelfunktion. Legalbewährung. Verkehrsverhalten. Aufbauseminar. Fahreignungsseminar. Abschreckung. Handlungsfreiheit. Tatanreiz. Pflichtenverstoß. Zeichen. Verordnungsgeber
Leitsatz (amtlich)
Eine auf eigene Kosten erfolgende freiwillige Teilnahme des Betroffenen an einer verkehrspsychologischen Schulung rechtfertigt für sich allein grundsätzlich nicht das Absehen von einem verwirkten bußgeldrechtlichen Fahrverbot. Eine Ausnahme kann auch dann nur in Betracht kommen, wenn daneben eine Vielzahl weiterer zu Gunsten des Betroffenen sprechender Gesichtspunkte festgestellt werden können (u.a. Anschluss an OLG Zweibrücken, 12. Mai 2017, 1 OWi 2 SsBs 5/17, ZfSch 2017, 471).
Normenkette
StVG § 25 Abs. 1 S. 1 Alt. 2; StVO § 41 Abs. 2, § 49 Abs. 3 Nr. 4; BKatV § 4 Abs. 2 S. 2
Tatbestand
Das AG hat gegen die Betr. im Beschlussverfahren (§ 72 OWiG) wegen einer am 04.10.2016 auf einer BAB mit einem Pkw begangenen fahrlässigen Überschreitung der außerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 34 km/h (§§ 41 II, 49 III Nr. 4 StVO) eine Geldbuße von 360 Euro festgesetzt. Von der Verhängung eines wegen dieser Tat im Bußgeldbescheid neben einer dort festgesetzten Geldbuße von 220 Euro angeordneten einmonatigen Fahrverbots hat es demgegenüber abgesehen, da es aufgrund der freiwilligen Teilnahme der Betr. an einer im Zeitraum vom 06.03.2017 bis 07.04.2017 an 6 Terminen zu jeweils 50 Minuten als Einzelschulungen wahrgenommenen verkehrspsychologischen Beratung und eines die Schulung belegenden Teilnahmezertifikats eines Fachpsychologen für Verkehrspsychologie die Überzeugung gewonnen hat, dass die im Rahmen einer früheren Hauptverhandlung persönlich angehörte Betr. ihre Einstellung zu straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften "deutlich positiv verändert" hat. Mit ihrer wegen der in der Hauptverhandlung vom 30.05.2017 gemäß § 67 II OWiG wirksam erklärten Einspruchsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch nur noch diesen betreffenden Rechtsbeschwerde rügt die StA die Verletzung materiellen Rechts. Sie beanstandet, dass das AG kein Fahrverbot gegen die Betr. angeordnet hat. Das Rechtsmittel führte zur Urteilsaufhebung und Zurückverweisung des Sache an das AG.
Entscheidungsgründe
I.
Die nach § 79 I 1 Nr. 3 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet, weil die Erwägungen, aufgrund derer das AG von der Verhängung eines Fahrverbots gegen die Betr. abgesehen hat, einer rechtlichen Nachprüfung nicht standhalten.
1. Allerdings hat das AG zunächst zutreffend das Vorliegen der Voraussetzungen für den von der Betr. aufgrund der Vorahndungslage an sich verwirkten Regelfall eines beharrlichen Pflichtenverstoßes i.S.v. § 25 I 1 2. Alt. StVG i.V.m. § 4 II 2 BKatV erkannt. Denn gegen die Betr. wurde zuletzt wegen einer am 09.06.2016 begangenen und erst seit dem 30.09.2016, mithin nur 4 Tage vor der verfahrensgegenständlichen Tat rechtskräftig gewordenen außerörtlichen Geschwindigkeitsüberschreitung um 41 km/h neben einer Geldbuße von 240 Euro bereits ein einmonatiges Fahrverbot festgesetzt. Darüber hinaus trat die Betr. schon am 24.03.2015 und nochmals am 09.02.2016 jeweils wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen außerhalb geschlossener Ortschaften um 32 km und 21 km einschlägig in Erscheinung, weshalb sie mit Geldbußen über 120 Euro und 70 Euro geahndet wurde; Rechtskraft dieser Vorahndungen trat am 12.05.2015 und 28.05.2016 ein.
2. Auch folgt aus § 4 II 2 BKatV nicht, dass stets ein Fahrverbot zu verhängen wäre. Vielmehr steht dem Tatrichter auch in den Regelfällen des § 4 II 2 BKatV ein Ermessensspielraum zu, um Verstößen im Straßenverkehr mit der im Einzelfall angemessenen Sanktion zu begegnen (BVerfG NJW 1996, 1809; OLG Bamberg VRS 114, 379 = VM 2008 Nr. 54 = OLGSt StVG § 4 Nr. 1 & StVG § 25 Nr. 40 = VRR 2008, 272). Denn die Frage, ob die Würdigung der Tat und der Persönlichkeit des Betr. besondere Umstände ergibt, nach denen es ausnahmsweise der Warn- und Denkzettelfunktion eines Fahrverbots im Einzelfall nicht bedarf, liegt grundsätzlich in seinem Verantwortungsbereich. Die tatrichterliche Entscheidung wird vom Rechtsbeschwerdegericht deshalb nur daraufhin überprüft, ob das Tatgericht sein Ermessen deshalb fehlerhaft ausgeübt hat, weil er die anzuwendenden Rechtsbegriffe verkannt, die Grenzen des Ermessens durch unzulässige Erwägungen überschritten oder sich nicht nach den Grundsätzen und Wertmaßstäben des Gesetzes gerichtet hat.
3. Mit dieser Maßgabe vermögen die bisherigen Feststellungen und Wertungen des AG eine Ausnahme von der Anordnung des Regelfahrverbots wegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes nach den §§ 25 I 1 2. Alt., 26a StVG i.V.m. § 4 II 2 BKatV weder für sich genommen noch in der Gesamtschau zu rechtfertigen (zu den Anforderungen für die Wertung eines Pflichtenverstoßes als ,be...