Entscheidungsstichwort (Thema)
Akteneinsicht eines Beteiligten in ein Kindschaftsverfahren, dass vor dem 1.09.2009 beendet war
Leitsatz (amtlich)
1. Beim Akteneinsichtsgesuch in ein abgeschlossenes Verfahren handelt es sich um ein selbständiges Verfahren iSd Art. 111 Abs. 2 FGG-RG.
2. Gegen die Ablehnung des nach § 13 FamFG zu beurteilenden Akteneinsichtsgesuchs ist die Beschwerde gem. §§ 58ff. FamFG statthaft.
3. Das Einsichtsgesuch eines Verfahrensbeteiligten in ein bereits abgeschlossenes Verfahren erfordert ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht, was glaubhaft zu machen ist.
Normenkette
FamFG §§ 13, 58-60; FGG-RG Art. 111 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Haßfurt (Aktenzeichen 1 F 581/07) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Haßfurt vom 25.03.2022, Az. 1 F 581/07, wird zurückgewiesen.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 500,00 EUR festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Beschwerdeführerin wendet sich in einem abgeschlossenen Kindschaftsverfahren gegen die Versagung von Akteneinsicht durch Beschluss des Amtsgerichts Haßfurt vom 25.03.2022.
Das zugrundeliegende familiengerichtliche Verfahren, in welchem das Landratsamt - Jugendamt - ... Maßnahmen zum Schutz des betroffenen Kindes K wegen einer psychischen Erkrankung der das Kind betreuenden Mutter angeregt hatte, endete nach Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 19.12.2007 und Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens in der Hauptsache durch Eintritt der Volljährigkeit des betroffenen Kindes am ...2009, was durch Beschluss des Amtsgerichts vom 30.06.2009 klarstellend festgestellt worden ist. Die Beschwerdeführerin ist die Mutter des betroffenen Kindes. Sie hatte sich durchweg gegen den mit Beschluss vom 19.12.2007 angeordneten vorläufigen Entzug der elterlichen Sorge und die damit verbundene Fremdunterbringung des Kindes gewandt.
Am 19.03.2012 (vgl. Bl. 651 RS) hatte die Kindesmutter antragsgemäß Einsicht in die Gerichtsakte genommen.
Ihren neuerlichen Antrag auf Akteneinsicht vom 24.03.2022 hat das Amtsgericht Haßfurt mit Beschluss vom 25.03.2022 zurückgewiesen mit der Begründung, die Antragsgegnerin habe die Akten nach Abschluss des Verfahrens bereits eingesehen. Seither sei nichts Relevantes hinzugekommen. Ein berechtigtes Interesse an einer erneuten Akteneinsicht sei weder vorgetragen noch ersichtlich.
Gegen den der Kindesmutter formlos mitgeteilten Beschluss hat diese mit Schreiben vom 14.11.2022, eingegangen beim Amtsgericht Haßfurt am selben Tag, "Einspruch" eingelegt und insbesondere ausgeführt, für klärende Ermittlungen sei ihre uneingeschränkte Akteneinsicht erforderlich. Mit weiteren Schreiben vom 16.01.2023 und 20.03.2023 samt Anlagen, vom Amtsgericht an das Beschwerdegericht weitergeleitet, hat sie ihr Begehren bezüglich Akteneinsicht aufrechterhalten. Ergänzend wird auf das schriftliche Beschwerdevorbringen Bezug genommen.
II. 1. a) Das als Einspruch bezeichnete Rechtsmittel der Beschwerdeführerin vom 14.11.2022 ist als Beschwerde nach §§ 58 ff FamFG auszulegen, da es sich dabei um das statthafte Rechtsmittel gegen eine Entscheidung betreffend die Akteneinsicht eines Beteiligten in ein abgeschlossenes Kindschaftsverfahren handelt (vgl. Sternal in Sternal, FamFG, 21. Aufl., § 13 FamFG Rn. 84).
Obwohl das zugrundeliegende Verfahren mit Volljährigkeit des betroffenen Kindes im Monat ... 2009 und somit vor Inkrafttreten des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (= FamFG) am 01.09.2009 geendet hatte, ist auf das Akteneinsichtsgesuch der Beschwerdeführerin vom 24.03.2022 das aktuelle Recht anwendbar. Dies folgt aus Art. 111 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 1 des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in der freiwilligen Gerichtsbarkeit (= FGG-RG). Danach ist altes Verfahrensrecht auch nach dem Inkrafttreten des FamFG weiterhin anzuwenden auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des FamFG eingeleitet worden sind, wobei jedes gerichtliche Verfahren, das mit einer Endentscheidung abgeschlossen wird, ein selbständiges Verfahren in diesem Sinne darstellt. Um ein solches selbständiges Verfahren handelt es sich bei dem Akteneinsichtsgesuch der Beschwerdeführerin vom 24.03.2022. Denn damit wurde ein neuer Verfahrensgegenstand eröffnet, über den eine gesonderte Entscheidung zu treffen ist, welche einen Verfahrensgegenstand ganz oder teilweise erledigt (vgl. § 38 Abs. 1 S. 1 FamFG). So werden etwa Kostenfestsetzungsverfahren und Vollstreckungsverfahren als selbständige Verfahren im Sinne des Art. 111 Abs. 2 FGG-RG angesehen (vgl. Giers in Sternal, FamFG, 21. Aufl., Art. 111 FGG-RG Rn. 5). Diese dienen einem vom ursprünglichen Verfahrensgegenstand unterscheidbaren Zweck, was auch auf das Akteneinsichtsgesuch der Beschwerdeführerin zutrifft, die laut ihrer Beschwerdeschrift vom 14.11.2022 auf die gew...