Leitsatz (amtlich)
1.
Die Begründetheit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung "gegen den ablehnenden Bescheid des vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft" (§ 172 II 1 StPO) setzt voraus, dass nach Prüfung der Vorgänge durch das erst- und letztinstanzlich entscheidende OLG - gegebenenfalls nach Durchführung eigener Ermittlungen (§ 173 III StPO) - hinreichende Verurteilungswahrscheinlichkeit anzunehmen ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Sach- und Beweisstandes ist derjenige der Entscheidung des OLG.
2.
Die strafrechtliche Einstandspflicht für eine fahrlässige Erfolgsverursachung entfällt bei risikoerhöhenden extremen Gefährdungslagen für Leib und Leben Dritter (hier: militärische Gefechtsübung mit scharfer Munition) nicht schon deshalb, weil sich der Verantwortliche entsprechend den auf den Durchschnittsfall zugeschnittenen Verhaltensregeln und - hier: innerdienstlichen - Vorschriften verhalten hat (Anschluss an BGHSt 37, 184/189).
3.
Die Mitverantwortlichkeit Dritter aufgrund jeweils eigener Pflichtverletzungen hat nicht zur Folge, dass der Zurechnungszusammenhang zwischen dem pflichtwidrigen Verhalten gerade des Beschuldigten und dem eingetretenen Erfolg entfällt. Vielmehr ist in diesen Fällen von einer Nebentäterschaft des Beschuldigten und etwaiger Mitverantwortlicher auszugehen ist. Im Übrigen kann sich ein Verantwortlicher zur Rechtfertigung eigenen pflichtwidrigen Verhaltens grundsätzlich nicht darauf berufen, dass auch andere Verantwortliche gegen die ihnen obliegenden Sorgfaltspflichten verstoßen haben.
Tatbestand
Mit dem gemäß § 172 II 1 StPO statthaften und auch im Übrigen zulässigen Antrag auf gerichtliche Entscheidung wenden sich die Ast. als Eltern des anlässlich einer Gefechtsübung der Bundeswehr tödlich verletzten Obergefreiten M. gegen den Bescheid des GenStA, mit dem dieser der Beschwerde der Ast. gegen die Einstellung des Verfahrens gemäß § 170 II StPO keine Folge gegeben hat. Der Klageerzwingungsantrag erweist sich in Richtung auf den für die Gefechtsübung verantwortlichen Sicherheitsoffizier auch als begründet; das OLG hat insoweit die Erhebung der öffentlichen Klage wegen fahrlässiger Tötung durch die StA angeordnet.
Entscheidungsgründe
I.
Die Begründetheit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung "gegen den ablehnenden Bescheid des vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft" (§ 172 II 1 StPO) setzt voraus, dass nach Prüfung der Vorgänge durch das erst- und letztinstanzlich entscheidende OLG - gegebenenfalls nach Durchführung eigener Ermittlungen (§ 173 III StPO) - hinreichende Verurteilungswahrscheinlichkeit anzunehmen ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Sach- und Beweisstandes ist derjenige der Entscheidung des OLG. Nach diesem - verfassungsrechtlich unbedenklichen - Prüfungsmaßstab ist der Antrag nach § 174 I StPO als unbegründet zu verwerfen, sofern das Ergebnis der Ermittlungen keinen genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage ergibt. Der "genügende Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage" setzt nach zutreffender Auffassung "hinreichenden Tatverdacht" im Sinne der §§ 170 I, 203 StPO und damit die Wahrscheinlichkeit der Verurteilung des Beschuldigten in der Hauptverhandlung voraus. Der unbestimmte Rechtsbegriff des "hinreichenden Tatverdachts" eröffnet zudem einen nicht unerheblichen Beurteilungsspielraum, zumal es sich dabei um eine Prognoseentscheidung handelt. Das OLG stellt insoweit ohne Bindung an die Entscheidungen der StA eigene tatsächliche und rechtliche Erwägungen an. Dabei nimmt es eine vorläufige Beweisbarkeitsprognose vor, bei der zweifelhafte Tatfragen in eigener Verantwortung zu entscheiden sind; insbesondere dürfen Beweisfragen nur dann der gerichtlichen Entscheidung im Hauptverfahren überlassen werden, wenn zur Behebung dieser Zweifel die Nutzung der besseren Aufklärungsmöglichkeiten der Hauptverhandlung unerlässlich ist. Ist nicht zu erwarten, dass bestehende und begründete Zweifel an der Beweisbarkeit des gegen den Beschuldigten erhobenen Vorwurfs in der Hauptverhandlung überwunden werden können, ist der Antrag auf Klageerzwingung unbegründet. Dies gilt etwa dann, wenn belastende Zeugenaussagen zur Überzeugungsbildung im Stadium dieser Beweisbarkeitsprognose nicht ausreichen und auch die Einführung des Wissens von Zeugen vom Hörensagen oder von sonstigen Beweismitteln keine ausreichende Überzeugung begründen können. Auch dies ist verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG NStZ 2002, 606 f. ≪i.V.m. BVerfG EuGRZ 1998, 466 ff.≫; OLG Rostock NStZ-RR 1996, 272 sowie st.Rspr. des Senats; zusammenfassend: LR/Graalmann-Scheerer StPO 25. Aufl. § 174 Rn. 5, § 170 Rn. 21 ff. i.V.m. LR/Rieß § 203 Rn. 6 ff.; ferner KK/Schmid StPO 5. Aufl. § 174 Rn. 2; KK/Tolksdorf § 203 Rn. 2 ff. und Meyer-Goßner StPO 50. Aufl. § 174 Rn. 2, § 170 Rn. 1, § 203 Rn. 2 jew. m. zahlr. weit. Nachw.).
II.Bei Anlegung dieser Grundsätze erweist sich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den ablehnenden Bescheid des GenStA in Richtung auf den Mi...