Verfahrensgang
AG Schwabach (Entscheidung vom 28.04.2006; Aktenzeichen 9 OWi 704 Js 61938/06) |
Gründe
I. Das Amtsgericht hat den in der Hauptverhandlung nicht anwesenden und dort auch nicht durch seinen Verteidiger vertretenen Betroffenen am 28.04.2006 wegen Abstandsunterschreitung zu einer Geldbuße von 100,00 EUR und zu einem mit einer Anordnung gem. § 25 Abs. 2a StVG (sog. Vier-Monatsregel) verbundenen Fahrverbot für die Dauer eines Monats verurteilt.
Am 12.05.2006 wurde dem Verteidiger des Betroffenen das Urteil ohne Urteilsgründe zugestellt.
Gegen dieses Urteil hat der Betroffene mit am 12.05.2006 beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers Rechtsbeschwerde eingelegt, die er mit am 15.05.2006 beim Amtsgericht eingegangenem Verteidigerschriftsatz fristgerecht mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet hat.
II. Die statthafte (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG) und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde erweist sich auf die Sachrüge hin als begründet, da das zugestellte Urteil entgegen § 71 Abs. 1 OWiG, § 267 Abs. 1 StPO keine Gründe enthielt und damit dem Rechtsbeschwerdegericht eine Überprüfung nicht ermöglicht.
Ein solches Urteil entfaltet gleichwohl Rechtswirksamkeit (vgl. BGH NJW 2004, 3643) und kann mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden.
Die Voraussetzungen für das Absehen von den Urteilsgründen nach § 77b Abs. 1 OWiG lagen nicht vor. Von einer schriftlichen Begründung des Urteils kann danach nur abgesehen werden, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf die Einlegung der Rechtsbeschwerde verzichten oder innerhalb der Frist die Rechtsbeschwerde nicht eingelegt wird oder wenn die Verzichtserklärungen entbehrlich sind und die Staatsanwaltschaft nicht vor der Hauptverhandlung eine Begründung des Urteils beantragt hat. Die Verzichtserklärung der Staatsanwaltschaft ist entbehrlich, wenn sie an der Hauptverhandlung nicht teilgenommen hat. Die Verzichtserklärung des Betroffenen ist entbehrlich, wenn er von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden worden ist, im Verlauf der Hauptverhandlung von einem Verteidiger vertreten worden ist und im Urteil lediglich eine Geldbuße von nicht mehr als 250,00 EUR festgesetzt worden ist.
Wie die Staatsanwaltschaft bei dem Rechtsbeschwerdegericht in ihrer Antragsschrift vom 28.07.2006 zutreffend ausführt, war der Betroffene zwar von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden worden, jedoch wurde er im Verlauf der Hauptverhandlung weder von einem Verteidiger vertreten noch wurde im Urteil lediglich eine Geldbuße von nicht mehr als 250,00 EUR festgesetzt; denn neben der Geldbuße wurde auch ein Fahrverbot verhängt.
Damit war eine Verzichtserklärung des Betroffenen nicht entbehrlich, mit der Folge, dass das Amtsgericht sein Urteil sogleich hätte begründen und das mit Gründen versehene Urteil zustellen müssen, damit der Betroffene auf dieser Grundlage entscheiden konnte, ob er ein Rechtsmittel einlegen will.
Da eine entsprechende Anwendung von § 77b Abs. 2 OWiG nicht in Betracht kommt, konnte das abgekürzte Urteil nach Verlassen des inneren Dienstbereiches auch nicht mehr abgeändert werden (BayObLGSt 1991, 105/106 OLG Hamm VRS 105, 363).
III. Aufgrund des aufgezeigten sachlich-rechtlichen Mangels ist das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 353 StPO). Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Schwabach zurückverwiesen (§ 79 Abs. 6 OWiG).
Die Entscheidung ergeht durch Beschluss nach § 79 Abs. 5 Satz 1 OWiG.
Fundstellen