Verfahrensgang

AG Amberg (Entscheidung vom 14.12.2009)

 

Tenor

I. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Amberg vom 14. Dezember 2009 mit den Feststellungen aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Amberg zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen am 14.12.2009 wegen einer am 22.03.2008 um 13.12 Uhr von ihm als Führer eines Pkw auf einer Bundesstraße begangenen fahrlässigen Ordnungswidrigkeit der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 26 km/h zu einer Geldbuße von 100,00 € und verhängte ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats.

Die Einlassung des Betroffenen, er sei zum Tatzeitpunkt nicht Führer des Kraftfahrzeuges gewesen, hat die sachverständig beratene Tatrichterin als widerlegt angesehen.

Mit der gegen diese Entscheidung geführten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

II. Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat bereits mit der Sachrüge Erfolg. Die Urteilsgründe werden den sachlich-rechtlichen Anforderungen an die Darlegung von Gutachten nicht gerecht (§ 267 StPO).

1. Nach ständiger Rechtsprechung muss der Tatrichter, der ein Sachverständigengutachten eingeholt hat und ihm - wie im vorliegenden Fall - Beweisbedeutung beimisst, auch dann, wenn er sich dem Gutachten des Sachverständigen, von dessen Sachkunde er überzeugt ist, anschließt, in der Regel die Ausführungen des Sachverständigen in einer (wenn auch nur gedrängten) zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrundeliegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen im Urteil wiedergeben, um dem Rechtsbeschwerdegericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen. Der Umfang der Darlegungspflicht richtet sich danach, ob es sich um eine standardisierte Untersuchungsmethode handelt, sowie nach der jeweiligen Beweislage und der Bedeutung, die der Beweisfrage für die Entscheidung zukommt (BGH NStZ 2000, 106 f.).

2. Diesen Anforderungen genügt die Darstellung des anthropologischen Gutachtens nicht. Die Tatrichterin teilt zu dem Gutachten im Wesentlichen lediglich mit:

"Das Tatfoto selbst zeige den Betroffenen mit dem Prädikat 'Höchste Wahrscheinlichkeit'.

Dies entspricht einer Identitätswahrscheinlichkeit von 99 %.

Das Gesicht werde für die Begutachtung zunächst in Zonen aufgeteilt. Sodann werde nach Ausschlüssen gesucht. Solche liegen hinsichtlich des Betroffenen in Bezug auf das Tatfoto nicht vor. (...)

Den vom Betroffenen angegeben und vom Gericht geladenen, jedoch nicht erschienenen Zeugen K. könne der Sachverständige ausschließen. Bei der Möglichkeit, dass dieser Zeuge zum Tatzeitpunkt Fahrer war, handele es sich lediglich um eine rein theoretische Modellüberlegung. Die Wahrscheinlichkeit bewege sich höchstens im Promillebereich. Einzig und allein die Möglichkeit, dass nahe Blutsverwandte das Fahrzeug geführt haben, sei genau zu prüfen. Unter diesem Vorbehalt stehe auch das Gutachten. Hier führt der Ausschluss des Bruders des Betroffenen dazu, dass der Vorbehalt entfällt und wie im schriftlichen Gutachten ausgeführt die Wahrscheinlichkeit, dass der Betroffene selbst Fahrer des Fahrzeuges war mit einer Einstufung "Identität höchst wahrscheinlich" angenommen werden kann.

Es verbleibt daher die Möglichkeit, dass außer dem Betroffenen ca. 1 % der Weltbevölkerung darunter der Zeuge K., als Fahrer in Betracht kommen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Betroffene der Fahrer war, liegt bei 99 %.

Das Gericht schließt sich den Ausführungen des Sachverständigen aus eigener Überzeugung an. Der Sachverständige ist von zutreffenden tatsächlichen Anknüpfungstatsachen ausgegangen. Das Gutachten war in sich schlüssig und widerspruchsfrei."

3. Eine derartige, im Wesentlichen auf die Mitteilung des Ergebnisses des Gutachtens beschränkte Darstellung kann zwar ausreichen, wenn es sich um ein allgemein anerkanntes und weithin standardisiertes Verfahren wie das daktyloskopische Gutachten (BGHR StPO § 261 Sachverständiger 4), die Blutalkoholanalyse (BGHSt 28, 235/237 f.: Angabe des Mittelwertes genügt) oder die Bestimmung von Blutgruppen (BGHSt 12, 311/314) handelt (grundlegend: BGHSt 39, 291/297 ff.). Ein standardisiertes Verfahren ist aber ein anthropologisches Vergleichsgutachten, bei dem anhand von Tatbildern einer Dokumentationskamera im Straßenverkehr eine bestimmte Zahl deskriptiver morphologischer Merkmale (z.B. Nasenfurche, Nasenkrümmung etc.) oder von Körpermaßen des Täters herausgearbeitet und mit den entsprechenden Merkmalen des Tatverdächtigen verglichen werden (vgl. BGH NStZ 1991, 596), nicht.

Um dem Senat die Überprüfung der Schlüssigkeit des Gutachtens und seines Beweiswertes zu ermöglichen, hätte zunächst dargelegt werden müssen, auf welche und wie viele übereinstimmende metrische und deskriptive Körpermerkmale der Sachverständige sich bei seiner Bewertung gestützt und auf welche Art und Wei...

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