Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwerbsobliegenheit im Trennungsunterhalt; kein Abzug von Naturalunterhalt beim das gemeinsame Kind betreuenden Elternteil im Ehegattenunterhalt
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Erwerbsobliegenheit des Unterhaltsschuldners im Trennungsunterhalt bei eheprägender Teilzeittätigkeit von 7/10 einer vollschichtigen Tätigkeit bei guten wirtschaftlichen Verhältnissen der Ehegatten.
2. Soweit nach neuerer Ansicht des Bundesgerichtshofs (B. v. 29.09.2021, Az. XII ZB 474/20 = FamRZ 2021, 1965; B. v. 18.05.2022, Az. XII ZB 325/20 = FamRZ 2022, 1366) beim das gemeinsame Kind im Residenzmodell betreuenden Elternteil im Rahmen der Bedarfsermittlung beim Ehegattenunterhalt ein Abzug für Kindesunterhaltsleistungen in Form von Naturalunterhalt auf Grundlage eines Kindesunterhaltsbedarfs aus dem gemeinsamen Einkommen beider Eltern vorzunehmen sei, vermag sich der Senat dieser Rechtsansicht nicht anzuschließen.
Normenkette
BGB §§ 1361, 1606 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
AG Aschaffenburg (Aktenzeichen 1 F 1556/17) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Endbeschluss des Amtsgerichts -Familiengericht - Aschaffenburg vom 20.10.2023, Az. 1 F 1556/17, wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
4. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 75.356,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer macht gegen die Antragsgegnerin Ansprüche auf Trennungsunterhalt geltend.
1. Die Eheleute schlossen am ...19... die Ehe. Im ... 2010 adoptierten sie das im Vorjahr geborene Kind K. Am ...11.2014 zog die Antragsgegnerin mit dem gemeinsamen Kind K in Trennungsabsicht aus der im Miteigentum der Eheleute stehenden Immobilie aus, kehrte jedoch im Mai 2015 auf Bitten des Antragstellers mit dem Kind K für einen Versöhnungsversuch zurück. Am ...05.2015 wurde die Antragsgegnerin von der Zeugin Z darüber informiert, dass diese mit dem Antragsteller seit längerer Zeit ein außereheliches Verhältnis unterhielt, worauf die endgültige Trennung der Eheleute erfolgte. Am ...05.2015 verließ der Antragsteller nachfolgend aufgrund einer schriftlichen Vereinbarung zur Nutzungsüberlassung die eheliche Immobilie. K lebt seither bei der Antragsgegnerin.
Der Antrag der Antragsgegnerin auf Ehescheidung wurde dem Antragsteller am 26.11.2015 zugestellt. Die Rechtskraft der Scheidung trat am 06.10.2022 ein.
Erstinstanzlich sind im Wesentlichen die Frage der Verwirkung eines Unterhaltsanspruchs des Antragstellers, dessen krankheitsbedingte Erwerbsfähigkeit sowie die Frage der Höhe eines möglichen fiktiven Einkommens des Antragstellers zwischen den Beteiligten streitig gewesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die umfassende Darstellung im Sachverhalt der angegriffenen Entscheidung verwiesen.
2. Das Amtsgericht hat die Zeugin Z zur Frage ihres Verhältnisses zum Antragsteller vernommen. Ferner hat es ein am 13.02.2023 erstattetes orthopädisches Gutachten des Sachverständigen Dr. D zur Frage der Erwerbsfähigkeit des Antragstellers eingeholt. Mit Endbeschluss vom 20.10.2023 hat es sodann den Antrag des Antragstellers auf Zahlung von Trennungsunterhalt zurückgewiesen. Einen hilfsweise vom Antragsteller geltend gemachten Antrag auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung hat es abgetrennt und als selbständiges Verfahren fortgesetzt.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass sich ein Unterhaltsanspruch des Antragstellers gemäß § 1361 Abs. 1 BGB jedenfalls ab Ablauf des Trennungsjahrs im November 2015 unter Zugrundelegung von Einkünften aus einer fiktiven Vollzeittätigkeit in abhängiger Beschäftigung ergeben würde. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. D sei der Antragsteller uneingeschränkt erwerbsfähig. Nachdem ab dem Jahr 2015 nur sehr geringe Einkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit erzielt worden seien, hätte die Obliegenheit des Antragstellers zum Einsatz seiner Arbeitskraft im erlernten Beruf in der IT-Branche im Finanzbereich bestanden. Entsprechend seinen durchschnittlichen Einkünften aus abhängiger Beschäftigung in den Jahren 2002 bis 2009 sei ihm ein Bruttoeinkommen von 107.000,00 EUR zuzurechnen. Danach ergebe sich rechnerisch ein Unterhaltsanspruch des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin in Höhe von 1.091,00 EUR ab Juni 2015, in Höhe von 388,00 EUR ab November 2015, in Höhe von 352,00 EUR im Jahr 2017 und in Höhe von 371,00 EUR ab dem Jahr 2018. Dieser Unterhaltsanspruch sei jedoch gemäß § 1579 Nr. 7 BGB verwirkt. Der Antragsteller habe mit der Zeugin Z ein nachhaltiges und auf Dauer angelegtes ehebrecherisches Verhältnis geführt. Hinzu komme, dass der Antragsteller während der Ehe gegen die Antragsgegnerin gewalttätig geworden sei. Aufgrund dessen habe der Antragsteller den Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf eheliche Solidarität vollständig verwirkt. Der Hilfsantrag auf Zahlung einer Nutzungsvergütung sei abzutrennen gewesen, nachdem dieses in einer anderen Verfahrensart als das Ver...