Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Anspruch auf Bewilligung einer Pauschgebühr vor rechtskräftigem Verfahrensabschluss
Leitsatz (amtlich)
Ein Anspruch des beigeordneten Rechtsanwalts auf Bewilligung einer Pauschgebühr wird erst mit rechtskräftigem Verfahrensabschluss fällig. Dies gilt auch dann, wenn der Rechtsanwalt eine Pauschgebühr für einen bereits abgeschlossenen Verfahrensabschnitt begehrt.
Normenkette
RVG § 42 Abs. 3, § 51 Abs. 1, 2 S. 4
Tenor
Der Antrag von Rechtsanwältin W. vom 18.11.2016 auf Bewilligung einer (Netto-)Pauschgebühr in Höhe von 970 EUR wird zurückgewiesen.
Gründe
Mit Schriftsatz vom 18.11.2016 beantragte Frau Rechtsanwältin W., die der Nebenklägerin mit Beschluss vom 26.02.2015 als Nebenklägervertreterin ... beigeordnet worden war, ihr eine Pauschgebühr in Höhe von mindestens 970 EUR netto zu bewilligen, und zwar zusätzlich zur Grundgebühr nach Nr. 4100 VV-RVG eine Gebühr in Höhe von 360 EUR, eine Erhöhung der Verfahrensgebühr nach Nr. 4104 VV-RVG und eine Erhöhung der Verfahrensgebühr nach Nr. 4112 VV-RVG auf 320 EUR.
Die Antragstellerin hat auf ihre Anträge hin bislang mit Beschluss vom 17.06.2015 einen Betrag in Höhe von 5.950,71 EUR, mit Beschluss vom 08.09.2015 einen Betrag in Höhe von 4.877,10 EUR, mit Beschluss vom 26.01.2016 einen Betrag in Höhe von 9.708,73 EUR und mit Beschluss vom 08.11.2016 einen Betrag in Höhe von 17.460,39 EUR als Vorschüsse auf die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen erhalten.
Die Bezirksrevisorin bei dem Oberlandesgericht Bamberg hat zu diesem Antrag am 17.01.2017 dahin Stellung genommen, dass die Bewilligung einer Pauschvergütung vor rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens grundsätzlich nicht veranlasst sei. Da es hier im vorliegenden Fall aber nicht um eine Pflichtverteidigung, sondern um eine Nebenklage gehe und das Ergebnis in der Richtung eindeutig erscheine, dass der Antrag abzulehnen sei, komme auch ohne Eintritt der Rechtskraft eine Entscheidung in Betracht.
Hierzu hatte die Antragstellerin Gelegenheit zur Stellungnahme, die sie mit Schriftsatz vom 27.01.2017wahrgenommen hat.
Der Senat hat festgestellt, dass das Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist.
II. Über den Antrag entscheidet gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 51 Abs. 2 Satz 4 RVG der Einzelrichter des nach der Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts Bamberg zuständigen 1. Strafsenats. Eine Entscheidung des gesamten Senats ist nicht geboten, da die Voraussetzungen des § 42 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 51 Abs. 2 Satz 4 RVG nicht vorliegen.
Der Antrag ist abzulehnen, weil ein etwaiger Anspruch der Antragstellerin auf Bewilligung einer Pauschgebühr gemäß § 51 Abs. 1 RVG mangels rechtskräftigen Verfahrensabschlusses jedenfalls derzeit nicht fällig ist.
Daran kann auch der Umstand, dass die Antragstellerin nur für einzelne - bereits abgeschlossenen - Verfahrensabschnitte ein Pauschgebühr begeht nichts ändern. Zwar sieht die Regelung des § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG ausdrücklich die Möglichkeit vor, eine Pauschgebühr nicht nur für das ganze Verfahren, sofern auch für einzelne Verfahrensabschnitte zu bewilligen. Hiervon zu trennen ist indessen die Frage, wann der Anspruch auf Bewilligung einer Pauschgebühr überhaupt fällig wird.
Während die Frage der Fälligkeit - bereits unter Geltung der früheren Regelung in § 99 BRAGO -in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte unterschiedlich beurteilt wurde, besteht nunmehr im Grunde Einigkeit, dass der Anspruch auf Bewilligung einer Pauschgebühr jedenfalls bei Fortbestand der Beiordnung erst nach endgültigem, mithin rechtskräftigem Abschluss des gesamten Verfahrens entsteht (vgl. z.B. KG Berlin, NStZ-RR 2015, 296; OLG Braunschweig JurBüro 2016, 358; OLG Celle Beschluss vom 16.6.2016 - 1 ARs 34/16 = BeckRS 2016, 14863; OLG Bamberg Beschluss vom 26.08.2016 - 10 AR 19/16 und v. 21.10.2016 -10 AR 27/16). Erst bei rechtskräftigem Ab-schluss des Verfahrens kann nämlich im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ermittelt werden, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschgebühr gegeben sind und wenn ja, in welchem Umfang; denn eine Gesamtbetrachtung aller Verfahrensabschnitte kann ergeben, dass eine überdurchschnittliche Beanspruchung in einem Verfahrensabschnitt durch eine weitere Tätigkeit im Verfahrensablauf mit geringerem Arbeits- und Zeitaufwand ausgeglichen wird, was selbst bei einer Zurückverweisung der Sache durch das Revisionsgericht der Fall sein kann. Diese Betrachtung findet ihre Rechtfertigung in dem Charakter der Pauschgebühr als Vergütung für die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts, so dass, auch wenn das Verfahren verschiedene Instanzen durchläuft, die Fälligkeit des Pauschgebührenanspruchs erst mit Rechtskraft eintritt (vgl. OLG Bamberg a.a.O.) Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Antragsteller als Pflichtverteidiger oder als Nebenklägervertreter beigeordnet wurde.
Dass auch unter der Geltung des § 51 Abs. 1 RVG eine Gesamtbetrachtung erforderlich ist und dass in Betracht kommt, dass ein besonderer Umfang oder eine be...