Entscheidungsstichwort (Thema)
Staatsanwaltschaft. Rechtsbeschwerde. Rechtsbeschwerdegericht. Aufhebung. Aufhebungsansicht. Zurückverweisung. Schuldspruch. Rechtsfolgenausspruch. Beweiswürdigung. Durchentscheidung. Geschwindigkeitsüberschreitung. Sachrüge. Geldbuße. Fahrverbot. Regelfahrverbot. Fahrverbotsaufnahme. Teilrechtskraft. horizontal. Bindungswirkung. Beharrlichkeit. Beruf. Arbeitsplatz. Arbeitsplatzverlust. Probearbeitsverhältnis. Schichtdienst. Kündigung. Existenzverlust. Zumutbarkeit. Härte. Verfahrensverzögerung. Fahrrad
Leitsatz (amtlich)
1. Hat der Bußgeldsenat auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, ist es wegen der eingetretenen horizontalen Teilrechtskraft rechtsfehlerhaft, wenn das Amtsgericht im 2. Verfahrensgang eine Entscheidung über den Schuldspruch trifft.
2. Sieht das Amtsgericht nach Zurückverweisung der Sache mit den gleichen Erwägungen wie bereits im 1. Verfahrensgang von der Anordnung eines Regelfahrverbots ab, die zur Aufhebung des 1. Urteils geführt haben, kann diese Entscheidung schon im Hinblick auf die prozessuale Bindungswirkung (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 358 Abs. 1 StPO) keinen Bestand haben.
3. Die Bezugnahme in einem Urteil auf Unterlagen, die sich bei den Akten befinden, verstößt gegen § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO und stellt zugleich einen sachlich-rechtlichen Mangel dar (Anschluss u.a. an BGH, Urt. v. 02.12.2005 - 5 StR 268/05 = NStZ-RR 2007, 22).
Normenkette
StVG § 25 Abs. 1 S. 1, Abs. 2a; StPO § 267 Abs. 1 S. 1, § 358 Abs. 1; OWiG § 46 Abs. 1, § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Abs. 6; BKatV § 4 Abs. 2 S. 2; BKat Nr. 11.3.5
Tenor
I.
Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts vom 09.03.2017 aufgehoben.
II.
Gegen die Betroffene wird wegen der aufgrund des insoweit rechtskräftigen Schuldspruchs aus dem Urteil des Amtsgerichts vom 25.07.2016 begangenen Ordnungswidrigkeit (fahrlässige Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft um 30 km/h) eine Geldbuße in Höhe von 160 € verhängt. Ferner wird der Betroffenen
III.
Die Betroffene hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hatte die Betroffene im ersten Verfahrensgang am 25.07.2016 wegen einer als Führerin eines Pkw am 03.09.2015 begangenen fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft um 30 km/h zu einer Geldbuße von 320 € verurteilt. Von dem im Bußgeldbescheid neben einer Geldbuße von 160 € angeordneten Fahrverbot von einem Monat hat das Amtsgericht demgegenüber abgesehen. Auf die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hat der Senat dieses Urteil mit Beschluss vom 03.11.2016 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen sowie in der Kostenentscheidung aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückverwiesen. Mit Urteil vom 09.03.2017 hat das Amtsgericht im zweiten Verfahrensgang die Betroffene "wegen fahrlässiger Überschreitung außerorts um 30 km/h" wiederum zu einer Geldbuße von 320 € verurteilt und erneut von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts; sie beanstandet, dass das Amtsgericht von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen hat. Die zur Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 06.07.2017 abgegebene Stellungnahme der Verteidigung vom 25.07.2017 lag dem Senat bei seiner Entscheidung vor.
II.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 OWiG statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hat aufgrund der Sachrüge Erfolg.
1. Das angefochtene Urteil weist in mehrfacher Hinsicht durchgreifende Rechtsmängel auf und kann daher insgesamt keinen Bestand haben.
a) Es ist bereits rechtsfehlerhaft, dass das Amtsgericht im angefochtenen Urteil eine Entscheidung zum Schuldspruch getroffen hat. Denn der Schuldspruch war aufgrund des Umstands, dass die Staatsanwaltschaft ihr Rechtsmittel gegen das Urteil des Amtsgerichts im ersten Verfahrensgang wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hatte, worauf der Senat bereits mit seinem Beschluss vom 03.11.2016 hingewiesen hat, rechtskräftig. Aufgrund der deshalb eingetretenen horizontalen Teilrechtskraft hätte sich das Amtsgericht mit dieser Frage überhaupt nicht mehr beschäftigen dürfen.
b) Aber auch der Rechtsfolgenausspruch ist evident rechtsfehlerhaft. Die Gründe des Amtsgerichts zum Absehen vom Fahrverbot, die im Wesentlichen die gleichen Erwägungen, die bereits zur Aufhebung der ersten Entscheidung des Amtsgerichts vom 25.07.2016 in diesem Verfahren geführt haben, beinhalten, sind schon aus den im Senatsbeschluss vom 03.11.2016...