Leitsatz (amtlich)

Im Rahmen von Verkehrsordnungswidrigkeiten ist die Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung im Regelfall entbehrlich, wenn dieser seine Fahrereigenschaft zugestanden und erklärt hat, er werde in der Hauptverhandlung keine (weiteren) Angaben zur Sache machen. Die Anwesenheit kann in einem solchen Fall allerdings dann noch zur weiteren Sachaufklärung dienen, wenn hierfür die bloße physische Präsenz des Betroffenen, etwa zur Auffrischung des Erinnerungsvermögens des Zeugen, ausnahmsweise geboten und erforderlich ist.

 

Verfahrensgang

AG Rosenheim (Entscheidung vom 10.12.2013)

 

Tenor

  • I.

    Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Rosen vom 10. Dezember 2013 wird zugelassen.

  • II.

    Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Rosenheim vom 10. Dezember 2013 aufgehoben.

  • III.

    Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde an das Amtsgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Die Zentrale Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt hat gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 07.10.2013 wegen des Vorwurfs, am 28.09.2013 als Führer eines Kraftfahrzeugs verbotswidrig ein Mobil - oder Autotelefon benutzt zu haben eine Geldbuße von 40 Euro verhängt. In der Hauptverhandlung am 10.12.2013 hat das Amtsgericht einen vom anwesenden Verteidiger gestellten Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen des nicht anwesenden Betroffenen abgelehnt und den Einspruch des Betroffenen mit Urteil vom 10.12.2013 nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen.

Mit seiner Rechtsbeschwerde, deren Zulassung er beantragt, rügt der Betroffene die . Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt,

"die Rechtsbeschwerde" als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, weil es geboten ist, das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 OWiG).

1. Der fristgerecht eingelegte Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere ist die zugleich mit dem Zulassungsantrag eingelegte' Rechtsbeschwerde form - und fristgerecht begründet worden (§§ 80 Abs. 3, 79 Abs. 3 OWiG, 341 Abs. 2, 345 StPO).

2. Der Zulassungsantrag ist auch begründet, weil das Amtsgericht rechtsfehlerhaft dem Entbindungsantrag nicht entsprochen hat.

a) Entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft genügt die Verfahrensrüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO (i.V.m. §§ 80 Abs. 3, 79 Abs. 3 OWiG). Nach den Ausführungen in der Rechtsbeschwerdebegründung in Verbindung mit den Urteilsfeststellungen, die wegen der gleichzeitig erhobenen Sachrüge zu berücksichtigen waren, hat der Betroffene die Fahrereigenschaft eingeräumt und zugestanden, dass er derjenige sei, der von dem Polizeibeamten kontrolliert worden sei, sowie im Übrigen von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht hat. Dem Rügevorbringen lässt sich auch noch hinreichend entnehmen, dass der mit einer ausreichenden Vertretungsvollmacht/Untervollmacht ausgestattete und anwesende Verteidiger diese Einlassung in einer Abwesenheitsverhandlung wiederholt hätte.

b) Die Rüge der Versagung des rechtlichen Gehörs ist auch begründet.

Nach § 73 Abs. 2 OWiG hat das Gericht den Betroffenen von seiner Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, wenn er sich zur Sache geäußert oder wenn er erklärt hat, er werde sich in der Hauptverhandlung nicht (weiter) zur Sache äußern, und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist. Im Rahmen von Verkehrsordnungswidrigkeiten ist die Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung im Regelfall entbehrlich, wenn dieser seine Fahrereigenschaft zugestanden und erklärt hat, er werde in der Hauptverhandlung keine (weiteren) Angaben zur Sache machen. Die Anwesenheit kann in einem solchen Fall allerdings dann noch zur weiteren Sachaufklärung dienen, wenn hierfür die bloße physische Präsenz des Betroffenen, etwa zur Auffrischung des Erinnerungsvermögens des Zeugen, ausnahmsweise ge- boten und erforderlich ist (OLG Bamberg ZfS 2008, 413; OLG Bamberg SVR 2009, 393; OLG Karlsruhe NZV 2011, 95). Allerdings reicht für die Annahme der Gebotenheit und Erforderlichkeit in diesem Sinne eine allgemeine - nicht auf einzelfallbezogene, konkrete Tatsachen gestützte - Möglichkeit eines besseren Erinnerungsvermögens des Zeugen in Anwesenheit des Betroffenen nicht aus (OLG Bamberg a,a,0; OLG Karlsruhe a.a.O.; KG DAR 2011, 146; OLG Bamberg Beschluss vom 14.03.2013 - 3 Ss OWi 344113 bei juris). Zwar mag bei Vorgängen, in denen es unmittelbar um die Wahrnehmung einer unverwechselbaren persönlichen Handlung des Betroffenen geht, die zur Ahndung führt, durchaus in einem größeren Umfang möglich zu sein, das Erinnerungsvermögen eines Zeugen durch Anwesenheit des Betroffenen aufzufrischen als bei Vorgängen, bei denen das verkehrswidrige Verh...

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