Leitsatz (amtlich)

Die weitere Beweisaufnahme zur Aufklärung bei einer auf ein sog. standardisiertes Messverfahren gestützten Beweisführung drängt sich dann auf bzw. liegt nahe, wenn konkrete Anhaltspunkte für technische Fehlfunktionen des Messgerätes behauptet werden. Nichts anderes kann gelten, wenn bei einer Messung mit dem Messgerät Riegl FG21P die fehlerhafte Durchführung des in der Gebrauchsanweisung des Geräteherstellers vorgeschriebenen Visiertests behauptet wird.

 

Tenor

  1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts vom 22.04.2015 mit den zugehörigen Feststellungen - mit Ausnahme der Feststellungen zur Fahrereigenschaft des Betroffenen - sowie in der Kostenentscheidung aufgehoben.
  2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückverwiesen.
 

Gründe

I. Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen mit Urteil vom 22.04.2015 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 41 km/h zu einer Geldbuße von 160,00 € und verhängte gegen ihn ein mit einer Anordnung nach § 25 Abs. 2a StVG versehenes Fahrverbot für die Dauer eines Monats.

Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet.

Die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg hat mit Antragsschrift vom 19.06.2015 beantragt, die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 22.04.2015 als unbegründet zu verwerfen.

Die Gegenerklärung der Verteidigung vom 08.07.2015 lag dem Senat vor.

II. Die statthafte (§ 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG) sowie form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde erweist sich bereits mit der zulässig erhobenen Verfahrensrüge der fehlerhaften Ablehnung eines Beweisantrages als zumindest vorläufig erfolgreich und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

1. Der Rüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:

Der Verteidiger beantragte für den Betroffenen in der Hauptverhandlung vom 22.04.2015 nach der Vernehmung des Messbeamten sowie der Protokollführerin der Anhaltekräfte als Zeugen die Beiziehung der Bedienungsanleitung für das verwendete Messgerät Riegl FG21P sowie die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass die verfahrensgegenständliche Messung fehlerhaft gewesen ist, weil der Messbeamte den Visiertest entgegen den Vorgaben des Geräteherstellers durchgeführt habe, indem er das Messgerät auf das reflektierende Verkehrsschild gerichtet und es zunächst von der Mitte aus nach links und sodann von der Mitte aus nach rechts geführt habe.

Diesen Beweisantrag hat das Amtsgericht in der Hauptverhandlung vom 22.04.2015 mit kurzer Begründung nach § 77 Abs. 3 OWiG unter Bezugnahme auf § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG abgelehnt und in den Urteilsgründen hierzu Folgendes ausgeführt (UA S. 4):

"Der Beweisantrag des Verteidigers zur Fehlerhaftigkeit der Messung der aufgrund nicht ordnungsgemäßer Durchführung der vorgeschriebenen Gerätetests durch den Messbeamten war gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG abzulehnen. Den Angaben des vernommenen Polizeibeamten POM A., er habe alle nötigen Test ordnungsgemäß durchgeführt und auf dem Messprotokoll vermerkt, schenkt das Gericht vollumfänglich Glauben auch weil der auf dem Gerät geschulte Messbeamte die fehlerfreie Durchführung der vorgegebenen Funktionstests selbst bestätigt hat und sich Zweifel diesbezüglich nicht ergeben."

2. Diese Begründung trägt die Ablehnung des gestellten Beweisantrages nicht.

a) Nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG kann das Gericht von weiterer Beweiserhebung absehen, wenn bereits eine Beweisaufnahme über die entscheidungserheblichen Tatsachen stattgefunden hat, die nach dessen Überzeugung zur Klärung des wahren Sachverhalts geführt hat, und eine weitere Beweiserhebung nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist (vgl. Göhler-Seitz, OWiG, 16. Aufl. § 77 Rn. 11 m.w.N.). Damit kann das Gericht unter Befreiung vom Verbot vorweggenommener Beweiswürdigung einen Beweisantrag nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG zurückweisen, wenn es seine nach § 77 Abs. 1 Satz 1 OWiG fortbestehende Aufklärungspflicht nicht verletzt. Verletzt ist die Aufklärungspflicht dann, wenn sich dem Gericht eine Beweiserhebung aufdrängen musste oder diese nahe lag (vgl. nur OLG Hamm NZV 2007, 155; OLG Köln VRS 88, 376; OLG Düsseldorf NStZ 1991, 542).

b) Bei Verwendung eines sog. standardisierten Messverfahrens zum Nachweis einer Geschwindigkeitsüberschreitung, zu denen auch das vorliegend verwendete Lasermessgerät Riegl FG21P gehört, ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass regelmäßig nur eingeschränkte Feststellungen zur Beurteilung einer nachvollziehbaren Beweiswürdigung erforderlich sind (BGHSt 39, 291 ff.; BGHSt 43, 277, 283 f.). Nach einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung drängt sich die weitere Beweisaufnahme zur Aufklärung bei ei...

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