Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorweggenommene Beweiswürdigung im PKH-Verfahren
Normenkette
ZPO § 114 S. 1, § 411a
Verfahrensgang
LG Bayreuth (Beschluss vom 22.02.2007; Aktenzeichen 32 O 731/06) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des LG Bayreuth vom 22.2.2007 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Beklagte erstrebt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Verteidigung gegen die Klage seiner (ehemaligen) Ehefrau, die ihn nach Deliktsgrundsätzen (wegen Vergewaltigung in zwei Fällen) auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes sowie auf Ersatz des materiellen Schadens für Vergangenheit und Zukunft in Anspruch nimmt.
Im Strafverfahren vor dem LG Bayreuth ist der Beklagte mit Urteil vom 30.9.2006 wegen jeweils zum Nachteil der Klägerin begangener Vergewaltigung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren 3 Monaten verurteilt worden. Dieses Urteil ist rechtskräftig.
Der Beklagte verteidigt sich gegen die Klage mit folgendem Vorbringen: Es sei nur einmal und ohne Gewaltanwendung zum Geschlechtsverkehr zwischen den Parteien gekommen; hierbei sei er betrunken und damit nur eingeschränkt schuldfähig gewesen. Ein Urkundenbeweis im Wege der Verwertung der Strafakten sei nicht zulässig, so dass der Ausgang des Prozesses vom Ergebnis der beiderseitigen Parteieinvernahme abhänge und damit "offen" sei. Schließlich sei der verlangte Schmerzensgeldbetrag von mindestens 5.000 EUR deutlich überhöht.
Das LG hat das Prozesskostenhilfegesueh wegen fehlender Erfolgaussicht zurückgewiesen.
Mit seiner sofortigen Beschwerde lässt der Beklagte im Wesentlichen rügen, das LG habe die Grenzen zulässiger Beweisantizipation überschritten, zumal sich der Erstrichter mit den beiden Beweisantritten der Beklagtenseite (Zeugen- und Sachverständigenbeweis) nicht näher auseinandergesetzt habe.
Mit Beschluss des Einzelrichters vom 6.8.2007 ist die vorliegende Beschwerdesache gem. § 568 S. 2 Nr. 1 ZPO dem Senat zur Plenarentscheidung übertragen worden (Bl. 61 d.A.).
II. Das statthafte und auch sonst zulässige Rechtsmittel (§§ 127 Abs. 2, 2 und 3; 567 ff. ZPO) bleibt in der Sache ohne Erfolg. Denn zu Recht ist das LG zu dem Ergebnis gelangt, dass die Verteidigung des Beklagten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 S. 1 ZPO) und seinem Gesuch deshalb schon aus sachlichen Gründen nicht entsprochen werden kann. Ergänzend zu den Darlegungen des LG merkt der Senat im Hinblick auf die Beschwerdeangriffe an:
1. Schon im prozessualen Ausgangspunkt ist die Auffassung des Beschwerdeführers nicht frei von Rechtsirrtum. Bei der nach § 114 S. 1 ZPO gebotenen summarischen Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht ist, wenn auch nur in gewissen Grenzen, eine vorweggenommene Beweiswürdigung grundsätzlich zulässig. Das ist längst gefestigte Rechtsprechung (vgl. etwa BGH NJW 1994, 1160 [1161] - zugleich in Abgrenzung von BGH NJW 1988, 266; OLG Koblenz NJW-RR 1992, 706; OLG Köln NJW-RR 1995, 1405; OLG Hamm NJW-RR 2000, 1669; Zöller, 26. Aufl., Rz. 26, 26a zu § 114 ZPO; Musielak/Fischer, 5. Aufl., Rz. 21 zu § 114 ZPO). Dies schließt ein, dass eine vorausschauende Würdigung des wahrscheinlichen Erfolges der angebotenen Beweismittel vorzunehmen ist.
Hierbei ist es dem Gericht auch nicht verwehrt, auf den Beweisstoff in anderen Verfahren zurückzugreifen, um dabei z.B. auch Aussagen von Zeugen heranzuziehen, wenn nach den Gesamtumständen anzunehmen ist, dass eine erneute Beweisaufnahme zum Nachteil des Antragstellers ausgehen wird (OLG Hamm, a.a.O.; OLG Nürnberg JurBüro 1986, 286; zuletzt etwa BVerfG NJW-RR 2004, 61).
Hält das Gericht aufgrund dieser Prüfung die Richtigkeit der unter Beweis gestellten Tatsache für sehr unwahrscheinlich, so darf es Prozesskostenhilfe selbst dann verweigern, wenn es einem von der Partei gestellten Beweisantrag stattgeben müsste. Denn die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind nicht mit denen einer Beweiserhebung identisch, wobei der Begriff der hinreichenden Erfolgsaussicht enger verstanden werden darf als das Gebot zur Beweiserhebung (BGH und Musielak/Fischer, jeweils a.a.O.). Diese Grundsätze stehen auch im Einklang mit der Rechtsprechung des BVerfG. So läuft die Verweigerung von Prozesskostenhilfe keineswegs dem Gebot der Rechtschutzgleichheit zuwider, wenn "konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte" dafür aufgezeigt werden können, dass eine Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen wird (vgl. nur BVerfG NJW 2003, 2976). So aber liegen die Dinge im Streitfall.
2. "Zeuge Dr. ..."
Der Beweisantritt in der Klageantwort stellt in das Wissen des Zeugen, es sei nicht zur Anwendung von Gewalt und auch nicht zum Samenerguss (gekommen)" (Bl. 33 d.A.).
Dieses Beweisangebot fügt sich in den bisherigen Verhandlungsstoff nicht ohne weiteres ein. Denn auch das Beschwerdevorbringen geht unverändert davon aus, dass es für das eigentliche Tatgeschehen keine Zeugen gibt. Demnach dürfte es sich bei dem benannten "Zeugen" um den Frauenar...