Entscheidungsstichwort (Thema)
Rotphase. Rotlichtverstoß. qualifiziert. Wechsellichtzeichen. Rechtsbeschwerde. Rechtsfolgenausspruch. Sachrüge. Urteilsabänderung. Durchentscheidung. Privatfahrt. Geldbuße. Fahrverbot. Regelfahrverbot. Fahrverbotsdauer. Fahrverbotsbeschränkung. Fahrverbotsausnahme. Ausnahme. Fahrzeugart. Fahrer. Kraftfahrer. Berufskraftfahrer. Rettungsdiensthelfer. Pkw. Krankenwagen. Krankenkraftwagen. Krankeneinsatzwagen. Krankenrettungskraftfahrzeug. Leichenwagen. Verwendungszweck. Ausrüstung. Augenblicksversagen. Arbeitsvertrag. Arbeitsverhältnis. Existenzgefährdung. Existenzverlust. Härte. Kündigung. Kündigungsabsicht. Kündigungsklausel. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Übermaßverbot. arbeitslos. Arbeitslosigkeit. Bußgeldbescheid. Einspruch. Einspruchsverzicht. Einspruchsrücknahme. Verteidigungsverhalten. Bewertungsspielraum. ermessensfehlerhaft. Rechtsweggarantie
Leitsatz (amtlich)
1. Der Umstand, dass ein Betroffener von ihm zustehenden Verteidigungsmöglichkeiten (hier: Einspruch gegen den Bußgeldbescheid) Gebrauch gemacht hat, darf bei der Frage, ob im Einzelfall ein Absehen vom Fahrverbot oder eine sonstige Fahrverbotsprivilegierung in Betracht kommt, nicht zum Nachteil des Betroffenen berücksichtigt werden.
2. Die Versagung einer Fahrverbotsprivilegierung mit der Begründung, der Betroffene habe mit Blick auf den Antritt eines Arbeitsverhältnisses einen Härtefall aufgrund einer durch das Fahrverbot konkret drohenden Kündigung durch Hinnahme des Bußgeldbescheids und die hierdurch mögliche Verbüßung des Fahrverbots noch vor Antritt der Tätigkeit verhindern können, stellt eine im Rahmen des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG ermessensfehlerhafte Verwertung zulässigen Verteidigungsverhaltens zum Nachteil des Betroffenen dar.
3. 'Krankenkraftwagen' können aufgrund ihrer über den bloßen Verwendungszweck und ihre Ausrüstung hinausgehende bauartbedingten Abgrenzbarkeit von anderen Fahrzeugen derselben Fahrzeugart oder -klasse als Kraftfahrzeuge "einer bestimmten Art" gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG vom bußgeldrechtlichen Fahrverbot ausgenommen werden (u.a. Anschluss an BayObLG, Beschl. v. 21.06.1989 - 2 Ob OWi 167/89 = ZfS 1989, 359 = NJW 1989, 2959 = DAR 1989, 428 = VRS 77 [1989], 456 = VM 1990, Nr.14 und OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.09.2007 - 2 Ss [OWi] 118/07 = NZV 2008, 104 = DAR 2008, 154 = VRS 113 [2007], 442 = VM 2008, Nr. 23 = OLGSt StVG § 25 Nr. 38).
Normenkette
GG Art. 19 Abs. 4 S. 1; StVG § 25 Abs. 1 S. 1, Abs. 2a; StVO § 35 Abs. 5a, § 37 Abs. 2 Nr. 1, §§ 38, 49 Abs. 3 Nr. 2; StVZO § 52 Abs. 3 S. 1 Nr. 4, § 55 Abs. 3 S. 1; OWiG § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 6; BKatV § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Abs. 4; BKat Nr. 132.3; FeV § 6 Abs. 1; BayRDG Art. 41 Abs. 2
Tenor
I.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts vom 27. Juni 2017 im Rechtsfolgenausspruch abgeändert und zugleich insgesamt wie folgt neu gefasst:
- Der Betroffene ist der fahrlässigen Nichtbeachtung einer länger als eine Sekunde andauernden Rotphase eines Wechsellichtzeichens schuldig.
- Gegen den Betroffenen wird deshalb eine Geldbuße in Höhe von 200 Euro festgesetzt.
- Dem Betroffenen wird für die Dauer von einem Monat verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im Straßenverkehr zu führen; hiervon ausgenommen sind jedoch Krankenkraftwagen.
- Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein des Betroffenen nach Rechtskraft in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.
II.
Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.
III.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens fallen dem Betroffenen zur Last; jedoch wird die Rechtsbeschwerdegebühr um ein Viertel ermäßigt. Die dem Betroffenen im Rechtsbeschwerdeverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen werden in Höhe eines Viertels der Staatskasse auferlegt; im Übrigen hat der Betroffene seine Auslagen selbst zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den bislang verkehrsrechtlich nicht in Erscheinung getretenen Betroffenen, einen bei einem Kreisverband des Bayerischen Roten Kreuzes als Fahrer angestellten Rettungsdiensthelfer, wegen einer als Führer eines Pkw anlässlich einer Privatfahrt am 10.02.2017 begangenen fahrlässigen Ordnungswidrigkeit der Nichtbeachtung einer schon länger als eine Sekunde andauernden Rotlichtphase eines innerorts angebrachten Wechsellichtzeichens (sog. 'qualifizierter' Rotlichtverstoß gemäß §§ 37 Abs. 2 Nr. 1, 49 Abs. 3 Nr. 2 StVO i.V.m. Nr. 132.3 BKat) zu einer Geldbuße von 200 Euro verurteilt und daneben gegen ihn entsprechend der schon im Bußgeldbescheid vorgesehenen Rechtsfolge ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats nach Maßgabe des § 25 Abs. 2a StVG angeordnet. Mit der gegen seine Verurteilung gerichteten Rechtsbeschwerde rügt der den äußeren Tathergang einräumende Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts mit dem Ziel eines Absehens von dem gegen ihn verhängten Fahrverbot.
II.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwe...