Leitsatz (amtlich)
1. Auf eine zulässige und ihrerseits unbeschränkte Revision hat das Revisionsgericht von Amts wegen unabhängig von einer sachlichen Beschwer des Rechtsmittelführers zu prüfen, ob das Berufungsurteil über alle Teile des amtsgerichtlichen Urteils entschieden hat, die der Überprüfungskompetenz des Berufungsgerichts unterlagen. Das Revisionsgericht hat deshalb insbesondere auch nachzuprüfen, ob und inwieweit Berufungsbeschränkungen als rechtswirksam anzusehen sind (u.a. Anschluss an OLG Bamberg, Urteil vom 25.06.2013 - 3 Ss 36/13 = DAR 2013, 585 = OLGSt StVG § 21 Nr. 10; OLG München, Beschluss vom 8. Juni 2012 - 4 StRR 97/12 = zfs 2012, 472).
2. Für die Beurteilung der Frage, ob von einer wirksamen Berufungsbeschränkung ausgegangen werden kann, ist das Ergebnis der der Urteilsverkündung durch das Berufungsgericht vorausgehenden Urteilsberatung maßgeblich, weil erst dann überprüft werden kann, ob die Voraussetzungen für die Annahme einer Trennbarkeit und Widerspruchsfreiheit zur Schuld- und Rechtsfolgenfrage und damit für die Frage der Wirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung vorlagen (u.a. Anschluss an BGHSt 27, 70/72; OLG Koblenz NStZ-RR 2005, 178; KG, Beschluss vom 27.08.2013 - 161 Ss 101/13 [bei [...]] = BeckRS 2013, 18258).
3. Die Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch ist unwirksam, wenn das Erstgericht trotz Vorliegens entsprechender Anhaltspunkte weder die Frage der Schuldfähigkeit (§ 20 StGB) hinreichend geprüft noch die Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit des Angeklagten (§ 21 StGB) rechtsfehlerfrei begründet hat. (Anschluss an OLG Hamm, Beschluss vom 14.01.2014 - 3 RVs 97/13 [bei [...]] = BeckRS 2014, 12983).
Normenkette
StGB §§ 20-21, 64; StPO § 318
Tenor
I.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts vom 06.05.2014 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
II.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten am 25.09.2013 wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung rechtlich zusammentreffend mit Beleidigung in zwei tateinheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten ohne Bewährung. Im Rahmen der Strafzumessung ging das Amtsgericht zugunsten des Angeklagten von verminderter Schuldfähigkeit aus. Gegen dieses Urteil wandte sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Berufung. Der Angeklagte legte ebenfalls - zunächst unbeschränkt - Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil ein. Nach Eingang der Akten ordnete das Landgericht mit Beschluss vom 19.11.2013 die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zum Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen der §§ 20, 21, 64 StGB an. Das Gutachten der Sachverständigen ging am 17.04.2014 beim Landgericht ein und wurde der Verteidigerin sowie der Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 17.04.2014 übersandt. In der Hauptverhandlung vom 06.05.2014 beschränkte der Angeklagte mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft seine Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch.
Das Landgericht sah die Beschränkung der Berufungen als wirksam an, ordnete auf die Berufung der Staatsanwaltschaft die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt an und verwarf die Berufung des Angeklagten sowie die weitergehende Berufung der Staatsanwaltschaft als unbegründet. Im Rahmen der Urteilsgründe führt das Landgericht aus, es bestehe kein Anlass, von einer Unwirksamkeit der Beschränkung der Berufung auszugehen, weil die Gutachterin insbesondere eine Aufhebung der Schuldfähigkeit ausschließen könne. Mit seiner gegen das Berufungsurteil gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Urteil des Landgerichts aufzuheben. Der Schriftsatz der Verteidigerin vom 16.10.2014 lag dem Senat vor.
II.
Die gemäß § 333 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§§ 341 Abs. 1, 344, 345 StPO) Revision des Angeklagten hat - zumindest vorläufigen - Erfolg, weil das Landgericht zu Unrecht von einer wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen ist und es deshalb unterlassen hat, sämtliche gegen den Angeklagten erhobenen Tatvorwürfe in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nachzuprüfen und umfassende eigene Feststellungen zum Tatgeschehen zu treffen. Es hat damit über den Verfahrensgegenstand nur unvollständig entschieden.
1. Auf eine zulässige und ihrerseits unbeschränkte Revision hat das Revisionsgericht von Amts wegen, unabhängig von einer sachlichen Beschwer des Rechtsmittelführers zu prüfen, ob das Berufungsurteil über alle Teile des amtsgerichtlichen Urteils entschieden hat, die der Überprüfungskompetenz der Berufungskammer unterlagen (LöweRosenberg/Franke StPO 26. Aufl. § 337 Rn. 37; Graf/Eschelbach stopp 2. Aufl. § 318 Rn. 31)...