Leitsatz (amtlich)
Die Anfechtung der Verwerfung einer nach § 313 StPO der Annahme bedürftigen Berufung bleibt auch dann nach § 322 a Satz 2 StPO unstatthaft, wenn über die Nichtannahme des ohne Hinweis auf einen späteren Rechtsmittelwechsel als Berufung bezeichneten Rechtsmittels des verteidigten Angeklagten zwar erst nach Ablauf der Wochenfrist des § 317 StPO für eine etwaige Berufungsbegründung aber in noch offener Revisionsbegründungsfrist entschieden worden ist und der Rechtsmittelführer vor deren Ablauf jedoch erst nach Erlass der Nichtannahmeentscheidung durch das Berufungsgericht erklärt, dass das Rechtmittel als (Sprung-) Revision fortgeführt wird (Anschluss an OLG Oldenburg, Beschluss vom 25.07.2011 - 1 Ss 122/11 = NStZ 2012, 54 = NdsRpfl 2011, 429).
Normenkette
StPO § 313 Abs. 1, 2 S. 2, §§ 317, 322 Abs. 2, § 322a S. 2, §§ 335, 345 Abs. 1
Tenor
- Die sofortigen Beschwerden der Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts vom 17.12.2014 werden als unzulässig verworfen.
- Die Angeklagten tragen die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels.
Gründe
I.
Der Angeklagte Q. wurde durch Urteil des Amtsgerichts vom 16.10.2014 wegen Sachbeschädigung in Tatmehrheit mit Beleidigung zur Gesamtgeldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 25,00 EUR verurteilt. Der Angeklagte V. wurde durch dasselbe Urteil wegen Sachbeschädigung zur Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je 25,00 EUR verurteilt. Gegen dieses Urteil haben die Angeklagten durch Schriftsätze ihrer Verteidiger vom 22.10.2014 form- und fristgerecht als solche ausdrücklich bezeichnete Berufung eingelegt. Das Urteil des Amtsgerichts wurde den Verteidigern der Angeklagten am 27.11.2014 zugestellt. Die Berufungsvorlage erfolgte am 15.12.2014. Der Vorsitzende der Berufungskammer hat mit Beschluss vom 17.12.2014 die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 16.10.2014 gemäß § 313 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 StPO als unzulässig verworfen. Die formlose Mitteilung dieser Beschlüsse an die Verteidiger der Angeklagten erfolgte am 18.12.2014. Die Angeklagten haben mit gemeinsamen Schriftsatz ihrer Verteidiger vom 19.12.2014 gegen den Beschluss des Vorsitzenden der Berufungskammer vom 17.12.2014 sofortige Beschwerde eingelegt, zugleich die Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt, die mit Schriftsätzen vom 22.10.2014 eingelegten Rechtsmittel der Berufung nunmehr als Revisionen bezeichnet, Revisionsanträge gestellt und die Revisionen mit der Verletzung materiellen Rechts begründet. Dieser Verteidigerschriftsatz lag dem Amtsgericht jedenfalls am 23.12.2014 vor. Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuleitungsverfügung vom 21.01.2015 beantragt,
die sofortigen Beschwerden der Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts vom 17.12.2014 als unzulässig zu verwerfen. Hierzu äußerten sich die Angeklagten mit Schriftsatz ihrer Verteidiger vom 05.02.2015, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.
II.
Die sofortigen Beschwerden der Angeklagten sind nicht statthaft und waren daher als unzulässig zu verwerfen. Die Angeklagten wurden zu Gesamtgeldstrafen von 15 Tagessätzen bzw. 10 Tagessätzen verurteilt. Daher sind ihre Berufungen gegen das Urteil des Amtsgerichts nur zulässig, wenn sie angenommen werden, § 313 Abs. 1 Satz 1 StPO. Eine solche Berufung wird angenommen, wenn sie nicht offensichtlich unbegründet ist. Andernfalls ist sie als unzulässig zu verwerfen, § 313 Abs. 2 StPO. Der Beschluss, durch den das Berufungsgericht über die Annahme einer Berufung entscheidet, ist nach § 322 a Satz 2 StPO unanfechtbar.
1. Allerdings entspricht es herrschender Rechtsprechung, dass die Unanfechtbarkeit der Nichtannahmeentscheidung nur dann zu bejahen ist, wenn tatsächlich ein Fall des § 313 Abs. 1 StPO gegeben ist. Liegt überhaupt kein Fall des § 313 Abs. 1 StPO vor, unterfällt die fehlerhafte Anwendung dieser Vorschrift deshalb der sofortigen Beschwerde nach § 322 Abs. 2 StPO (vgl. nur KK/Paul StPO, 7. Aufl. § 322 a Rn. 1; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 57. Aufl., § 322 a Rn. 8, jeweils m.w.N.).
2. Vorliegend war ein Fall des § 313 Abs. 1 StPO gegeben. Die Angeklagten haben das gegen das amtsgerichtliche Urteil erhobene Rechtsmittel mit Schriftsätzen ihrer Verteidiger vom 22.10.2014 ausdrücklich als Berufung bezeichnet. Sie haben erst nach dem Verwerfungsbeschluss der Berufungskammer vom 17.12.2014 das Rechtsmittel gegen das amtsgerichtliche Urteil als Revision bezeichnet, Revisionsanträge gestellt und die Revision begründet.
a) Zwar entspricht es ebenfalls ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung, dass die Erklärung, dass der Rechtsmittelführer von der ursprünglich eingelegten Berufung zur (Sprung-) Revision übergehe ebenso wie die Revisionsbegründung innerhalb der Revisionsbegründungsfrist bei dem Amtsgericht angebracht werden müssen, das die angegriffene Entscheidung erlassen hat (vgl. BGHSt 40, 395 = StV 1995, 174 = NJW 1995, 2367 = VRS 89 [1995], 125 = wistra 1995, 236; siehe auch OLG Bamberg, Urteil vom 12.12.2006 - 3 Ss 126/06 [bei [...]]). Wenn ein Urteil sowohl mit der Berufung als auch ...