Leitsatz (amtlich)
1. Dem einem minderjährigen Verheirateten bestellten Vormund kommt wegen §§ 1800, 1633 BGB keine Entscheidungsbefugnis für den Aufenthalt des Mündels zu. Dies gilt auch hinsichtlich wirksam verheirateter minderjähriger Flüchtlinge, wenn nach dem Recht des Herkunftstaates insoweit ebenfalls keine elterliche Sorge besteht (Art. 15, 16, 20 KSÜ).
2. Eine in Syrien nach syrischem Eheschließungsrecht wirksam geschlossene Ehe einer zum Eheschließungszeitpunkt 14-Jährigen mit einem Volljährigen ist als wirksam anzuerkennen, wenn die Ehegatten der sunnitischen Glaubensrichtung angehören und die Ehe bereits vollzogen ist.
3. Die Unterschreitung des Ehemündigkeitsalters des § 1303 BGB bei einer Eheschließung im Ausland führt selbst bei Unterstellung eines Verstoßes gegen den ordre public (Art. 6 EGBGB) nicht zur Nichtigkeit der Ehe, wenn nach dem für die Eheschließung gem. Art. 11, 13 EGBGB anzuwendenden ausländischen Recht die Ehe bei Unterschreitung des dort geregelten Ehemündigkeitsalters nicht unwirksam, sondern nur anfechtbar oder aufhebbar wäre.
Verfahrensgang
AG Aschaffenburg (Beschluss vom 07.03.2016; Aktenzeichen 7 F 2013/15) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Beschwerde des Vormunds (Stadtjugendamt X.) gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Aschaffenburg vom 7.3.2016 (7 F 2013/15) wird zurückgewiesen.
2. Der Beschluss des AG - Familiengericht - Aschaffenburg vom 7.3.2016 (7 F 2013/15) wird aufgehoben.
3. Gerichtskosten für beide Instanzen werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden in beiden Instanzen nicht erstattet.
4. Der Verfahrenswert für beide Instanzen wird auf 3.000,00 Euro festgesetzt.
5. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligten H., geb. am 1.1.1994, und A., geb. am 1.1.2001, sind syrische Staatsangehörige. Sie sind zueinander verwandt als Cousin und Cousine und in der gleichen Stadt in Syrien aufgewachsen. Aufgrund der Kriegsereignisse in Syrien sind die beiden vorgenannten Beteiligten über die so genannte "Balkanroute" von Syrien aus nach Deutschland geflüchtet, wo sie am 27.8.2015 angekommen sind. Nach einem ersten Aufenthalt in R. wurden beide zunächst zur Registrierung in die Erstaufnahmeeinrichtung in S. und anschließend nach X. gebracht. Dort wurde A., die bis dahin seit Februar 2015 mit dem Beteiligten H. zusammengelebt hat, am 10.9.2015 durch Mitarbeiter des Jugendamtes X. in Obhut genommen. Seither lebt A. getrennt vom Beteiligten H. in einer Jugendhilfeeinrichtung für weibliche minderjährige unbegleitete Flüchtlinge in N..
Im Verfahren 7 F 1439/15 hat das AG -Familiengericht- Aschaffenburg mit Beschluss vom 16.9.2015 auf Antrag des allgemeinen sozialen Dienstes beim Stadtjugendamt der Stadt X. bezüglich A. (dort unter dem Namen A.) das Ruhen der elterlichen Sorge festgestellt, Vormundschaft angeordnet und das Stadtjugendamt X. durch einstweilige Anordnung zum Vormund bestellt.
Mit am 4.12.2015 beim AG Aschaffenburg eingegangenem persönlichen Schreiben vom 3.12.2015 hat der Beteiligte H. sich an das AG gewandt und hierzu vorgetragen, dass er mit A. verheiratet sei. Er bat um Überprüfung der Inobhutnahme durch das Jugendamt und um "Rückführung" seiner Frau zu ihm. Hierzu hat H. u.a. eine Heiratsurkunde in arabischer Schrift mit Beglaubigungszeichen, eine diesbezügliche Übersetzung in die deutsche Sprache mit Beglaubigungszeichen und eine in arabischer Schrift verfasste weitere Bestätigung für die Eheschließung mit Beglaubigungszeichen eingereicht. Insoweit wird auf Bl. 4-10 d.A. verwiesen.
Nach mündlicher Verhandlung am 18.1.2016 hat das AG mit Verfügung vom 28.1.2016 darauf hingewiesen, dass die seitens des Beteiligten H. begehrte Überprüfung und Aufhebung der Inobhutnahme nicht mehr erforderlich sei, da sich die Inobhutnahme durch das Stadtjugendamt X. aufgrund der Bestellung eines Vormundes für die Beteiligte A. erledigt habe. Eine Inobhutnahme sei nicht mehr gegeben. Vielmehr übe der Vormund durch den Aufenthalt der Beteiligten A. in der Jugendhilfeeinrichtung in N. sein Aufenthaltsbestimmungs- und sein Umgangsbestimmungsrecht aus. Das Begehren des Beteiligten H. sei daher nun als Antrag auf Regelung eines Umgangsrechts auszulegen. Für eine Entscheidung hierüber hat das AG mit Beschluss vom 28.1.2016 der Beteiligten A. eine Verfahrensbeiständin bestellt. Am 18.2.2016 hat das AG die Beteiligte A. in Anwesentheit der bestellten Verfahrensbeiständin angehört. Auf den Vermerk vom 18.2.2016 (Bl. 54/55 d.A.) wird Bezug genommen. In der mündlichen Verhandlung am 22.2.2016 hat die Verfahrensbeiständin erklärt, dass die seit der Inobhutnahme - da nur insoweit seitens des Vormunds geduldet - lediglich begleitet stattfindenden Umgänge einer Integration der beiden syrischen Flüchtlinge entgegenstehen würde. Für beide sei es nicht verständlich, dass sie nunmehr trotz der schwierigen gemeinsamen Flucht und des Umstandes, dass sie in Sy...