Entscheidungsstichwort (Thema)
Bayerisches Familiengeld als Einkommen bei der Prozess-/Verfahrenskostenhilfe
Leitsatz (amtlich)
Bei Bezug des bayerischen Familiengeldes ist ein Sockelbetrag von 300,00 Euro bei der Einkommensberechnung gemäß § 115 ZPO anrechnungsfrei.
Normenkette
BayFamGG Art. 1 S. 4; BEEG § 10 Abs. 1; ZPO § 115
Verfahrensgang
AG Würzburg (Aktenzeichen 5 F 1193/19) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Würzburg vom 23.07.2019 teilweise abgeändert.
Die Höhe der monatlichen Rate beträgt 85,00 Euro.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Mit Beschluss vom 23.07.2019 wurde der Antragstellerin für den ersten Rechtszug mit Wirkung ab Antragstellung Verfahrenskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt X. als Verfahrensbevollmächtigter beigeordnet. Die Bewilligung erfolgte mit Zahlungsanordnung. Die Antragstellerin hat demnach auf die voraussichtlichen Kosten der Verfahrensführung aus ihrem Einkommen Monatsraten in Höhe von 103,00 Euro an die Landesjustizkasse Bamberg zu zahlen. Das Amtsgericht Würzburg geht dabei von folgenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Antragstellerin:
Nettoeinkommen:
- Familiengeld: 600,00 Euro
- Kindergeld: 853,00 Euro
- Gesamteinkommen: 1.453,00 Euro.
Hiervon abzusetzen seien besondere Belastungen für den Mehrbedarf von Alleinerziehenden je Kind in Höhe von jeweils 50,88 Euro, insgesamt 203,52 Euro.
Darüber hinaus hat das Amtsgericht folgende Freibeträge berücksichtigt:
Für die Antragstellerin 492,00 Euro und unter der Berücksichtigung des eigenen Einkommens der vier minderjährigen Kinder Freibeträge in Höhe von insgesamt 550,00 Euro.
Das Amtsgericht Würzburg hat ein einzusetzendes Einkommen in Höhe von 207,48 Euro errechnet und die gem. § 76 Abs. 1 FamFG, § 115 ZPO errechnete Monatsrate auf 103,00 Euro festgesetzt.
Gegen den am 08.08.2019 an den Verfahrensbevollmächtigten zugestellten Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 09.08.2019 beim Amtsgericht Würzburg eingegangenen sofortigen Beschwerde. Sie wendet sich dagegen, dass das bayerische Familiengeld in Höhe von 600,00 Euro als Einkommen zugerechnet wird. Das bayerische Familiengeld sei nach der Intention des Gesetzes als Anerkennung für die Erziehungsleistungen und die frühkindliche Bildung von Eltern in Bayern ausgestaltet. Es soll daher nicht als existenzsicherndes Einkommen dienen, weshalb es auch konsequent nicht auf SGB II Leistungen und Sozialhilfe angerechnet werde. Minderbemittelten Eltern werde der Zugang zu den Gerichten erschwert, wenn es im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe als Einkommen angesetzt werde.
Das Amtsgericht Würzburg hat der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss vom 23.07.2019 mit Beschluss vom 16.10.2019 nicht abgeholfen und hat und die Beschwerde dem zuständigen Oberlandesgericht Bamberg zur Entscheidung vorgelegt. Auf die Gründe der Nichtabhilfeentscheidung wird Bezug genommen.
II. Die gem. § 76 Abs. 2 FamFG statthafte und im Übrigen gem. §§ 76 Abs. 1, 567 ff. ZPO zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.
Die Höhe der monatlichen Rate ist auf 85,00 Euro zu ermäßigen. Im Übrigen verbleibt es bei der erstinstanzlichen Entscheidung.
Dies beruht auf folgenden Erwägungen:
Das Einkommen der Antragstellerin ist gem. § 76 Abs. 1 FamFG, § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu bestimmen. Danach gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Grundsätzlich sind damit auch Einkünfte aus zweckgerichteten öffentlich-rechtlichen Zuwendungen Einkommen i.S.d. genannten Vorschrift (MünchKomm ZPO § 115 Rn. 16 - Beck-online), also auch die Zuwendungen auf der Grundlage des bayerischen Familiengeldgesetzes (BayFamGG).
Soweit die Antragstellerin einwendet, dass nach der Intention des Gesetzes das bayerische Familiengeld als Anerkennung für die Erziehungsleistungen und die frühkindliche Bildung ausgestaltet sei und überhaupt nicht als Einkommen anzusehen sei, kann dem Einwand nicht gefolgt werden. Zutreffend ist, dass das bayerische Familiengeld nicht auf SGB II - Leistungen und Leistungen der Sozialhilfe anzurechnen ist, weil es sich dabei um existenzsichernde Sozialleistungen handelt. Denn auf diese Leistungen soll gemäß der in Art. 1 S. 4 BayFamGG formulierten Zweckbestimmung - diese erfolgte aufgrund einer Übereinkunft zwischen dem Bund und dem Freistaat Bayern - eine Anrechnung des Familiengeldes nicht erfolgen. Bei nicht existenzsichernden Sozialleistungen ist die Anrechnungsfreiheit dagegen nicht gegeben (Art. 1 Satz 3 BayFamGG) und deswegen das Familiengeld grundsätzlich als Einkommen i. S. v. § 115 ZPO zu berücksichtigen.
Eine Einschränkung der Anrechenbarkeit bei der Prozess- / Verfahrenskostenhilfe als nicht existenzsichernde Sozialleistung ergibt sich vorliegend jedoch aus § 10 Abs. 1 BEEG.
Die Prozesskosten- / Verfahrenskostenhilfe gemäß § 76 Abs. 1 FamFG, §§ 114 ff ZPO ist eine Sozialleistung i.S. v. § 10 Abs. 1...