Leitsatz (amtlich)
1. Ein Sachvortrag zum Entschuldigungsgrund der Erkrankung erfordert für seine Schlüssigkeit zumindest die Darlegung eines krankheitswertigen Zustandes. Dies kann durch die Vorlage ärztlicher Bescheinigungen erfolgen, ohne dass diesen die Art der Erkrankung zu entnehmen sein muss. Anderenfalls bedarf es zumindest entsprechenden Sachvortrags zu Art und Auswirkung der geltend gemachten Erkrankung, um dem Gericht die Grundlage für eine rechtliche Bewertung zu bieten, ob dem Betroffenen die Teilnahme an der Hauptverhandlung unzumutbar ist.
2. Die pauschale und ausschließliche Mitteilung des Verteidigers, der Betroffene sei erkrankt, genügt diesen Anforderungen nicht und begründet keine Verpflichtung des Gerichts, bei etwaigen Zweifeln weitere Feststellungen im Freibeweisverfahren zu treffen.
Verfahrensgang
AG Bamberg (Entscheidung vom 16.06.2008) |
Tenor
Gründe
I.
Mit Bußgeldbescheid vom 23.08.2007 wurde gegen den Betroffenen wegen einer am 31.05.2007 auf der A 70 begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung um 78 km/h eine Geldbuße von 500,00 EUR und ein Fahrverbot von 3 Monaten verhängt. Den gegen diesen Bußgeldbescheid zulässigen Einspruch verwarf das Amtsgericht mit Urteil vom 16.06.2008 gemäß § 74 Abs. 2 OWiG. Zur Begründung ist ausgeführt:
"Der Betroffene legte gegen den in der Urteilsformel bezeichneten Bußgeldbescheid rechtzeitig Einspruch ein. Die Ladung, welche die Belehrung nach § 74 Abs. 3 OWiG und über die Folgen eines nicht genügend entschuldigten Ausbleibens enthielt, wurde ordnungsgemäß zugestellt. Das Ausbleiben ist nicht genügend entschuldigt. Der Einspruch wurde daher nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen."
Mit der gegen diese Entscheidung eingelegten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Der Betroffene macht insbesondere geltend, die Tatrichterin habe sein Ausbleiben zu Unrecht als nicht entschuldigt beurteilt.
II.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1.
Die Verfahrensrüge ist zulässig erhoben, jedoch nicht begründet.
a)
Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 19.12.2008 erfüllt die Verfahrensrüge die Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG. Da ein Prozessurteil im Sinne des § 74 Abs. 2 OWiG nur mit der Verfahrensrüge angefochten werden kann (Göhler OWiG 14. Aufl. § 74 Rn. 48 b), ist es grundsätzlich erforderlich, alle den Verfahrensverstoß begründenden Tatsachen so vollständig und genau mitzuteilen, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 344 Rn. 24).
Das Vorbringen in der Rechtsbeschwerdebegründung enthält die Mitteilung, wann und mit welchem Inhalt der Schriftsatz der Verteidigung vom 16.06.2008 vor Verhandlungsbeginn beim Amtsgericht eingegangen ist. Dies genügt zur Überprüfung, ob das Gericht eine ihm bekannte Tatsache rechtlich unzutreffend gewürdigt oder sich mit ihr in den Urteilsgründen nicht auseinandergesetzt hat bzw. eine Tatsache nicht zur Kenntnis genommen hat, obwohl es diese hätte zur Kenntnis nehmen können. Einer Mitteilung, ob die Erkrankung zugleich mit einer Verhandlungs- oder zumindest Reiseunfähigkeit des Betroffenen verbunden war und in welchen Umfang eine solche dem Gericht bekannt war oder hätte bekannt sein müssen, bedurfte es dagegen nicht.
b)
Die Verfahrensrüge bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg. Nach dem durch die Verfahrensakten bewiesenen Rechtsbeschwerdevorbringen liegt der Formrüge folgender Verfahrensgang zugrunde:
Die Hauptverhandlung am 16.06.2008 war auf 16.00 Uhr anberaumt. Mit am selben Tag um 15.11 Uhr übermitteltem Telefax teilte der Verteidiger mit, "dass der Betroffene nicht zum Termin erscheinen" könne, weil er "erkrankt" sei. Weitere Mitteilungen waren in dem Schriftsatz nicht enthalten, Anlagen nicht beigefügt.
Zur Hauptverhandlung erschienen ausweislich des Sitzungsprotokolls weder der Betroffene noch sein Verteidiger. Das Amtsgericht verwarf daraufhin den Einspruch des Betroffenen durch Urteil gemäß § 74 Abs. 2 OWiG.
aa)
Zwar ist die (lediglich formularmäßige) Begründung des Urteils, der Betroffene sei ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben (§ 74 Abs. 2 OWiG), nicht frei von Rechtsfehlern, weil das - dem Beschwerdevorbringen zufolge - vor der Hauptverhandlung dem Amtsgericht per Telefax übermittelte Entschuldigungsvorbringen des Betroffenen im angefochtenen Urteil nicht gewürdigt worden ist. Die Nichterörterung in dem angefochtenen Verwerfungsurteil lässt darauf schließen, dass das Amtsgericht das Entschuldigungsvorbringen überhaupt nicht berücksichtigt hat, obwohl es hätte berücksichtig...