Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen wirksamer Lichtbildbezugnahme. Darstellungsanforderungen bei Sachverständigenbeweis
Leitsatz (amtlich)
1. An die Wirksamkeit der Verweisung nach § 267 I 3 StPO (i.V.m. § 71 I OWiG) dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Für ihre Wirksamkeit ist weder die Einhaltung einer besonderen Form oder die Wiedergabe des Gesetzeswortlauts noch die Verwendung einer sonst verdeutlichenden Floskel oder die Zitierung des Gesetzes erforderlich. Notwendig und ausreichend ist, dass der Wille zur Bezugnahme unter Berücksichtigung der Urteilsgründe in ihrer Gesamtheit eindeutig und bestimmt zum Ausdruck gebracht ist (Anschluss an BGH, Urteil vom 28.01.2016 - 3 StR 425/16 = StraFo 2016, 155 = NStZ-RR 2016, 178 = BGHR StPO § 267 I 3 Verweisung 5).
2. Schließt sich das Tatgericht ohne weitere eigene Erwägungen den Ausführungen eines Sachverständigen zur Ordnungsgemäßheit der Durchführung einer
'standardisierten'
Messung an, müssen im Urteil die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und fachbezogenen Ausführungen des Sachverständigen - wenigstens in zusammenfassender, im Einzelfall auch nur
'gedrängter'
Form - derart wiedergegeben werden, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit unabdingbar ist (st.Rspr.; u.a. Anschluss an BGHSt 39, 291/297; BGH, Beschl. v. 02.04.2015 - 3 StR 103/15 [bei [...]]; 06.05.2014 - 5 StR 168/14 = NStZ-RR 2014, 244; 17.06.2014 - 4 StR 171/14 = NStZ-RR 2014, 305; OLG Bamberg, Beschl. v. 20.10.2015 - 3 Ss OWi 1220/15 [bei [...]]).
Normenkette
StPO § 267 Abs. 1 S. 3; OWiG § 71 Abs. 1
Tatbestand
Das AG hat den Betr. wegen einer am 13.10.2014 als Führer eines Pkw auf einer BAB fahrlässig begangenen, mit dem Lasermessgerät PoliScanSpeed festgestellten Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 56 km/h zu einer Geldbuße von 240 Euro verurteilt und gegen ihn ein mit einem beschränkten Vollstreckungsaufschub nach § 25 IIa 1 StVG verbundenes Fahrverbot für die Dauer eines Monats angeordnet. Mit seiner hiergegen gerichteten Rechtsbeschwerde rügt der Betr. die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel erwies sich als begründet.
Entscheidungsgründe
I. Die nach § 79 I 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde erweist sich auf die Sachrüge jedenfalls vorläufig als begründet, weil sich die Urteilsfeststellungen gem. §§ 71 I OWiG i.V.m. § 267 I StPO als lückenhaft erweisen. Auf die weiteren sachlich-rechtlichen Beanstandungen und die Verfahrensrüge kommt es nicht mehr an.
1. Allerdings zwingt das Rechtsmittel nicht bereits deshalb zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, weil - wie die GenStA in ihrer Antragsschrift ausführt - die Urteilsfeststellungen nicht in eindeutiger und damit in rechtlich hinreichend überprüfbarer Weise erkennen lassen, worauf das AG seine Überzeugung von der Fahrereigenschaft des Betr. stützt.
a) Gründet die Überzeugung des Tatrichters von der Identität des Betr. zum Tatzeitpunkt auf einer Lichtbildidentifizierung der Person des Betr., muss auf ein "bei den Akten" (vgl. dazu LR/Stuckenberg StPO 26. Aufl. § 267 Rn. 20) befindliches und nicht selbst oder als Kopie in das Urteil unmittelbar aufgenommenes (hierzu schon BayObLG, Beschl. v. 04.04.1996 - 2 ObOWi 223/96 = BayObLGSt 1996, 34 = NStZ-RR 1996, 211 = MDR 1996, 843 = NZV 1996, 330 = StraFo 1996, 171 = VRS 91, 367 [1996] = VerkMitt 1996, Nr. 126 = JR 1997, 38; ferner OLG Jena, Beschl. v. 24.03.2006 - 1 Ss 57/06 = VRS 110 [2006], 424 = ZfS 2006, 475 und OLG Düsseldorf, Beschl. v. 08.12.2006 - 5 Ss [OWi] 199/06 = VerkMitt 2007, Nr. 20 = VRS 112 [2007], 43; vgl. auch Göhler/Seitz OWiG 47. Aufl. § 71 ' Rn. 47b; KK-OWiG/Senge 4. Aufl. § 71 Rn. 118; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 59. Aufl. § 267 Rn. 10; KK/Kuckein StPO 7. Aufl. § 267 Rn. 6 a.E.; LR/Stuckenberg § 267 Rn. 14; Satzger/Schluckebier/Widmaier-Güntge StPO 2. Aufl. § 267 Rn. 10; Burhoff [Hrsg.]/Gübner, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 4. Aufl., Rn. 2712) Messfoto bzw. 'Frontfoto' oder 'Radarfoto', soll es zum Bestandteil der Urteilsurkunde werden, deutlich und zweifelsfrei nach § 267 I 3 StPO i.V.m. § 71 I OWiG Bezug genommen werden, um so über die Dokumentation und Beschreibung der Art und Weise der Beweiserhebung hinaus unmissverständlich auch den Willen zur Verweisung bei Abfassung der Urteilsgründe zum Ausdruck zu bringen. Fehlt eine entsprechende Bezugnahme, bedarf es deshalb einer ausführlichen - hier nicht erfolgten - Beschreibung des Lichtbildes nach Inhalt und Qualität in den Urteilsgründen (st.Rspr., vgl. neben BGH, Beschl. v. 19.12.1995 - 4 StR 170/95 = BGHSt 41, 376/382 = DAR 1996, 98 = NJW 1996, 1420 = NZV 1996, 413 = MDR 1996, 512 = BGHR StPO § 267 I 3 Verweisung 2 = StV 1996, 413 = VerkMitt 1996, 89 und BayObLG a.a.O. u.a. OLG Bamberg, Beschl. v. 20.02.2008 - 3 Ss OWi 180/08 = NZV 2008, 211 = VRS 114, 285 [2008]; 21.04.2008 - 2 Ss OWi 499/08 = NZV 2008, 469; 06.04.2010 - 3 Ss OW...