Leitsatz (amtlich)
Ein - erstinstanzliches - Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren nach dem EuGVÜ bzw. dem AVAG wird auch durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Schuldnervermögen im Ausland nicht unterbrochen (in Fortfuhrung von OLG Saarbrücken v. 1.10.1993 - 5 W 96/93-56, NJW-RR 1994, 636).
Normenkette
ZPO § 24O; EuGVÜ Art. 31 ff.; AVAG §§ 3 ff.
Verfahrensgang
LG Bayreuth (Beschluss vom 22.02.2005; Aktenzeichen 23 O 118/05) |
Tenor
I. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des LG Bayreuth vom 22.2.2005 wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 102.258,38 EUR festgesetzt.
IV. Die Rechtsbeschwerde zum BGH wird zugelassen.
Gründe
Das LG Bayreuth hat auf den Antrag der Antragstellerin vom 15.2.2005 mit Beschluss vom 22.2.2005 (Bl. 5-9 d.A.) die öffentlichen Urkunden des Notars M., ... in F., vom 29.9. und 3.2.1998, durch die sich der Antragsgegner auf einen Betrag von jeweils 100.000 DM verbürgt und der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat, mit der Vollstreckungsklausel versehen.
Der Antragsgegner hat gegen den ihm am 21.9.2005 zugestellten Beschluss mit Telefax-Schreiben am 26.9.2005 Einwendungen erhoben. Er macht geltend, dass durch Urteil des Tribunal de Grande Instance in Strassburg vom 22.1.2003 (Bl. 30-32 d.A.) das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet worden sei.
II. Die Beschwerde ist zulässig (§§ 11, 12 Abs. 1 AVAG; Art. 36 Abs. 1 und 2 EuGVÜ), aber nicht begründet.
Das Verfahren über die Vollstreckbarerklärung der öffentliche Urkunden vom 29.9. und 3.2.1998 war wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragsgegners in Frankreich weder von vornherein unzulässig noch war es unterbrochen.
1. Allerdings unterbricht die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im Ausland grundsätzlich einen deutschen Zivilrechtsstreit, wenn
a) das ausländische Insolvenzverfahren gem. § 102 Abs. 1 S. 1 EGInsO auch das im Inland belegene Vermögen des Schuldners erfasst (s. Feiber in Münch/Komm, ZPO, § 240 Rz. 11; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 240 RZ. 6) und
b) das ausländische Recht ähnlich wie das deutsche Recht vorsieht, dass die Prozessführungsbefugnis mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter übergeht (BGH, Beschl. v. 26.11.1997 - IX ZR 309/96 = ZIP 98,659; s. auch BGH v. 13.5.1997 - IX ZR 309/96, NJW 1997, 2525; Feiber in Münch/Komm, ZPO, § 240 Rz. 11; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 240 RZ. 6; s. auch Uhienbruck/Lüer; InsO, 12. Aufl., Art. 102 EGInsO RZ. 160).
Beide Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Zu a): Das durch das Tribunal de Grande Instance in Strasbourg am 22.1.2003 eröffnete Insolvenzverfahren, das in Deutschland anzuerkennen ist (Art. 16 EGVO Nr. 1346/2000 vom 29.5.2000), erfasst auch das in Deutschland befindliche Vermögen des Antragsgegners (Art. 102 Abs. 1 S. 1 EGInsO), weil ein Ausnahmefall nach S. 2 dieser Vorschrift nicht vorliegt.
Zu b): Nach französischem Recht (Artikel L. 621-40 Handelsgesetzbuch) darf ab Verkündung des Eröffnungsurteils kein Gläubiger mehr Maßnahmen gegen den Schuldner ergreifen, die darauf abzielen, seine Verurteilung zur Zahlung einer bestimmten Geldsumme zu erreichen (zitiert nach Augustin in MünchKomm/InsO, Länderberichte, Frankreich Rz. 5), Die Gläubiger müssen ihre Forderungen innerhalb von 2 Monaten nach Veröffentlichung des Eröffnungsbeschlusses beim Gläubigervertreter anmelden (Augustin in MünchKomm/InsO, Länderberichte, Frankreich Rz. 11). Das französische Insolvenzverfahren ist deshalb dem deutschen Insolvenzverfahren ähnlich.
2. Jedoch unterbricht auch ein deutsches insolvenzverfahren und demzufolge auch ein ausländisches Insolvenzverfahren ein Vollstreckbarerklärungsverfahren nach dem (hier gem. Art. 76 EuGWO anwendbaren) EUGVÜ (Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen) und dem AVAG (Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz vom 19.2.2001 - BGBl. I S. 288) nicht Dies ist allerdings umstritten.
a) Das OLG Saarbrücken hat entschieden, dass das Vollstreckbarkeitsverfahren nach dem EuGVÜ und dem AVAG im Falle der Eröffnung eines inländischen Konkursverfahrens über das Vermögen des Antragsgegners nicht unterbrochen wird (NJW-RR 1994, 636 ff.). Dem ist ein Teil des Schrifttums gefolgt (Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 5. Aufl., 2005, Rz. 3117; Prütting, ZIP 1996, 1277 [1280]).
b) Ein anderer Teil des Schrifttums ist dagegen der Auffassung, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens das Vollstreckbarkeitsverfahren unterbricht (Reinhart in MünchKomm/SnsO, Art. 102 EGinsO RN172; differenzierend wohl Mankowski ZIP 1994, 1577 [1579 f.] und Heß, JPRAX95, 16 ff.).
c) Der Senat schließt sich i.E. der erstgenannten Auffassung an.
Das EuGVÜ und das AVAG sehen eine Unterbrechung des Vollstreckbarkeitsverfahrens wegen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht vor. Eine entsprec...