Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen einer Divergenzvorlage bei abweichender Rechtsauffassung zum Vorliegen eines strafprozessualen Beweisverwertungsverbotes.
Normenkette
GG Art. 2 I; StPO § 100h I 1 Nr. 1; GVG § 121 II; OWiG § 46 I; StVG § 24
Tatbestand
Das AG verurteilte den Betr. am 19.11.2009 wegen einer am 05.06.2009 auf einer BAB begangenen Abstandsunterschreitung zu einer Geldbuße von 240 EUR und verhängte gegen ihn ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats. Das AG hat den Abstandsverstoß aufgrund der Ergebnisse des eingesetzten Brückenabstandsmessverfahrens mittels einer Videoabstandsmessanlage (VAMA) als erbracht angesehen. Mit seiner hiergegen gerichteten Rechtsbeschwerde rügte der Betr. die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Unter Berufung auf den Beschluss der 2. Kammer des 2. Senats der BVerfG v. 11. 8. 2009 (2 BvR 941/08) beanstandete der Betr. insbesondere, dass es an einer gesetzlichen Grundlage für die Videoaufzeichnung fehle, so dass das gefertigte Bildmaterial nicht zu Beweiszwecken zu seinem Nachteil habe verwertet werden dürfen. Im übrigen sei das OLG aufgrund einer abweichenden Entscheidung des OLG Düsseldorf verpflichtet, die Sache nach § 121 II GVG dem BGH zur Entscheidung vorzulegen. Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerde hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betr. ergeben (§ 349 II StPO i.V.m. § 79 III 1 OWiG). Zur Begründung wird auf die - auch unter Berücksichtigung der Gegenerklärung der Verteidigung - im Ergebnis zutreffende Stellungnahme der GenStA in ihrer Antragsschrift Bezug genommen. Ergänzend bemerkt der Senat:
Unabhängig von der Frage, ob das vom Betr. behauptete Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbot mit einer den Begründungsanforderungen des § 344 II 2 StPO i.V.m. § 79 III 1 OWiG genügenden und damit zulässigen Verfahrensrüge geltend gemacht wurde (vgl. hierzu OLG Rostock, Beschluss vom 16.11.2009 - 2 Ss OWi 257/09 = VRR 2010, 35; OLG Hamm, Beschluss vom 11.11.2009 - 3 Ss OWi 856/09 = VRR 2010, 43 und OLG Koblenz, Beschluss vom 04.03.2010 - 1 SsBs 23/10), liegen auch die Voraussetzungen des § 79 III 1 OWiG i.V.m. § 121 II GVG für eine Vorlage des Verfahrens an den Bundesgerichtshof im Hinblick auf den Beschluss des Einzelrichters des OLG Düsseldorf ≪3. Strafsenat≫ vom 09.02.2010 - IV-3 RBs 8/10 (= VRR 2010, 154 f. = DAR 2010, 213 ff. = DuD 2010, 338 ff. = NJW 2010, 1216 ff.) nicht vor.
1.
Zwar geht das OLG Düsseldorf in der vorgenannten Entscheidung davon aus, dass für die Videoaufzeichnung mit dem bei der dort verfahrensgegenständlichen Messung eingesetzten ViBram-System keine Rechtsgrundlage besteht und setzt sich damit nicht nur in Widerspruch zur Rechtsprechung des erkennenden Senats (OLG Bamberg ≪2. Senat≫, Beschluss vom 16.11.2009 - 2 Ss OWi 1215/09 = NJW 2010, 100 f. = DAR 2010, 26 ff. m. Anm. Grunert = VRR 2009, 468 ff. m. Anm. Deutscher = zfs 2010, 50 ff.; vgl. auch OLG Bamberg ≪3. Senat≫, Beschluss vom 25.02.2010 - 3 Ss OWi 206/10 = DAR 2010, 279 f. = VRR 2010, 190 ff. m. Anm. Gieg ), sondern auch zu derjenigen weiterer Oberlandesgerichte (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 29.01.2010 - 4 Ss 1525/09 = VRR 2010, 115 f. = NJW 2010, 1219 f.; OLG Jena, Beschluss vom 06.01.2010 - 1 Ss 291/09 = NJW 2010, 1093 f. = VRR 2010, 115; OLG Dresden, Beschluss vom 02.02.2010 - Ss OWi 788/09 = DAR 2010, 210 ff. = VRR 2010, 154 f.; OLG Hamm, Beschluss vom 22.10.2009 - 4 Ss OWi 800/09 = NJW-Spezial 2010, 107; OLG Koblenz, Beschluss vom 04.03.2010 - 1 SsBs 23/10 = DuD 2010, 341), die jeweils übereinstimmend von einer Anwendbarkeit des § 100 h I 1 Nr. 1 StPO i.V.m. § 46 I OWiG ausgehen.
2.
Unabhängig von der Frage, ob das der Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 09.02.2010 (a.a.O..) zu Grunde liegende Messverfahren tatsächlich mit dem in Bayern eingesetzten VAMA-Verfahren identisch ist, beruht die Entscheidung des Senats letztlich aber nicht auf dieser unterschiedlichen rechtlichen Beurteilung in Bezug auf die Ermächtigungsgrundlage für eine Videoaufzeichnung. Denn selbst wenn von einer fehlenden Eingriffsermächtigung ausgegangen werden sollte, folgt aus einem dann anzunehmenden Beweiserhebungsverbot vorliegend kein Beweisverwertungsverbot. Wie das OLG Hamm in seinem Beschluss vom 22.12.2009 - 1 Ss OWi 960/09 (= VRR 2010, 114 ff. = SVR 2010, 115 = DAR 2010, 212) zutreffend dargelegt hat, führt selbst eine verdachtsunabhängige Kontrolle mittels Videoaufzeichnung, für die § 100 h StPO keine Ermächtigungsgrundlage bildet, nicht zu einem Verwertungsverbot im Bezug auf die gewonnenen Aufzeichnungen.
a)
Ob ein auf rechtswidrige Weise erlangtes Beweismittel zulasten des Betr. verwertet werden darf, ist nach ständiger verfassungsgerichtlicher und höchstrichterlicher Rechtsprechung nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen, insbesondere nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verfahrensverstoßes sowie der Bedeutung der im Einzelfall betroffenen Rechtsgüter (BVerfG NJW 2008, 3053 f...