Leitsatz (amtlich)

Örtliche Zuständigkeit für mehrere denselben Verfolgten betreffende Auslieferungsersuchen IRG § 14 II § 14 II IRG ist auch dann sinngemäß anzuwenden, wenn über mehrere denselben Verfolgten betreffende Auslieferungsersuchen zu entscheiden ist, solange ein Oberlandesgericht mit einem zuvor eingegangenen Auslieferungsersuchen befasst ist.

 

Tatbestand

Mit am 11.03.2010 eingegangenem Schreiben vom 10.03.2010 beantragte die GenStA Bamberg beim OLG Bamberg, gegen den Verfolgten Auslieferungshaft wegen der im Europäischen Haftbefehl des Stadtgerichts G./Ungarn vom 10.02.2010 beschriebenen Straftat anzuordnen und seine Auslieferung an Ungarn für zulässig zu erklären. Nach dem Europäischen Haftbefehl liegt dem Verfolgten u.a. zur Last, am 10.08.2008 Kokain besessen zu haben. Gegen den Verfolgten war mit Urteil des AG Regensburg vom September 2009 wegen gemeinschaftlicher Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und gemeinschaftlichem unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verhängt worden, die er gegenwärtig in der JVA B. verbüßt; 2/3 der Strafe werden im Oktober 2010 vollstreckt sein. Darüber hinaus ist gegen den Verfolgten Überhaft für ein Auslieferungsverfahren der GenStA Nürnberg vorgemerkt. Mit Haftbefehl des OLG Nürnberg vom 22.07.2009 wurde gegen den Verfolgten die vorläufige Auslieferungshaft auf der Grundlage des Europäischen Haftbefehls des Stadtgerichts M./Ungarn vom 23.06.2009 angeordnet. Dem Verfolgten liegt insoweit zur Last, im August 2008 bei H./Ungarn in einem Pkw zwei elektrische Zünder auf das ungarische Staatsgebiet verbracht zu haben, strafbar nach deutschem Recht gemäß § 1 I i.V.m. der Kriegswaffenliste Teil B VII Nr. 43 IX Nr. 57, 22 a I Nr. 6 KWKG, §§ 1 I, II Nr. 3, 3 I Nr. 3, 40 Nr. 1 SprengstoffG. In jenem Verfahren wurde der Verfolgte im Zuständigkeitsbereich des OLG Nürnberg ermittelt, weil er sich für die StA Regensburg in Untersuchungshaft befand. Durch die GenStA Nürnberg wurde am 24.08.2009 die Auslieferung an die Republik Ungarn bewilligt. Die Übergabe des Verfolgten wurde allerdings zurückgestellt, bis den deutschen Strafvollstreckungsansprüchen aus dem vorgenannten Urteil des AG Regensburg ausreichend Rechnung getragen worden sei. Im gegenständlichen Verfahren ging das Auslieferungsersuchen des Ministeriums für Justiz und Polizeiwesen der Republik Ungarn vom 11.02.2010 am selben Tag bei der GenStA Nürnberg ein, die den Vorgang am 12.02.2010 der GenStA Bamberg übersandte. Aufgrund des gegenständlichen neuen Europäischen Haftbefehls erließ das AG Bayreuth am 08.03.2010 gegen den Verfolgten eine Festhalteanordnung. Bei seiner richterlichen Vernehmung vom selben Tage erhob der Verfolgte zwar keine Einwendungen gegen seine Auslieferung, erklärte sich jedoch nicht mit der vereinfachten Auslieferung einverstanden. Auch auf die Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes verzichtete er nicht.

Das OLG Bamberg hat seine örtliche Zuständigkeit für die seitens der GenStA Bamberg beantragte Anordnung von Auslieferungshaft verneint.

 

Entscheidungsgründe

1.

Nach § 14 I IRG sind örtlich zuständig das OLG und die StA bei dem OLG, in deren Bezirk der Verfolgte zum Zweck der Auslieferung ergriffen oder, falls eine Ergreifung nicht erfolgt, zuerst ermittelt wird. Nach § 14 II IRG richtet sich die örtliche Zuständigkeit für den Fall, dass mehrere Verfolgte, die wegen Beteiligung an derselben Tat oder im Zusammenhang damit wegen Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei ausgeliefert werden sollen, danach, welches OLG zuerst mit der Sache befasst wurde. Nach übereinstimmender Literaturmeinung (Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 4. Aufl., § 14 Rn. 17; Wilkitzki in Grützner/Pötz/Kreß, IRG, 3. Aufl., § 14 Rn. 14, 16, 23 m.w.N.) ist § 14 II IRG auch dann sinngemäß anzuwenden, wenn die Auslieferung nur einer Person begehrt wird, die aufgrund mehrerer Auslieferungsersuchen gesucht wird, bzw. deren Auslieferung in einem Ersuchen wegen mehrerer Taten, bei denen der in § 14 II vorausgesetzte Zusammenhang nicht besteht, begehrt wird. Zweck der Regelung des § 14 II IRG ist es, eine einheitliche Behandlung sachlich zusammenhängender Verfahren zu sichern und der Eilbedürftigkeit des Auslieferungsverfahrens Rechnung zu tragen. Gleiches ergibt sich auch aus der Intention des Gesetzgebers (BT-Drucksachen 9/1338, S. 48). Danach soll § 14 II IRG erreichen, dass zur Sicherung einer einheitlichen Behandlung das OLG zuständig sein soll, das zuerst mit der Sache befasst wird. Dies soll auch dann gelten, wenn die Verfolgten bzw. der Verfolgte zugleich wegen anderer Taten ausgeliefert werden sollen, mit denen der in § 14 II IRG vorausgesetzte Zusammenhang nicht besteht. Damit soll einerseits dem Beschleunigungsgesichtspunkt Rechnung getragen werden und andererseits - besonders im Verhältnis zum Ausland - sichergestellt werden, dass einheitliche Sachverhalte auch zu einheitlichen Entscheidunge...

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