Leitsatz (amtlich)
1.
Die von der Polizei in Bayern vor dem 05.07.2007 im Rahmen des so genannten Brückenabstandsmessverfahrens praktizierten Videoabstandsmessungen unter Einsatz des Charaktergenerators vom Typ CG-P 50 E des Herstellers JVC/Piller erfüllen nicht die Voraussetzungen eines standardisierten Messverfahrens, wenn die Messung nicht in Kombination mit einer Videokamera des Herstellers JVC durchgeführt wurde.
2.
In diesen Fällen darf sich das Tatgericht bei der Feststellung und Darstellung der Beweisgründe im Urteil nicht auf die Mitteilung des Messverfahrens, die entsprechend den Richtlinien für die polizeiliche Verkehrsüberwachung ermittelten Ergebnis-Werte sowie auf die auch sonst bei einer Brückenabstandsmessung gebotenen Feststellungen, etwa zu etwaigen Abstandsveränderungen innerhalb der der eigentlichen Messstrecke vorgelagerten Beobachtungsstrecke beschränken.
Tatbestand
Das AG hat den Betr. am 24.09.2007 wegen einer am 26.04.2007 fahrlässig begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit der Nichteinhaltung des erforderlichen Mindestabstandes zu einem vorausfahrenden Fahrzeug (§§ 4 I 1 i.V.m. 49 I Nr. 4 StVO) zu einer Geldbuße von 100 EUR verurteilt und gegen ihn ein einmonatiges (Regel-) Fahrverbot wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers i.S.v. § 25 I 1 StVG festgesetzt (§ 4 I 1 Nr. 2 BKatV i.V.m. Nr. 12.5.3 der Tabelle 2 BKat). Nach den Urteilsfeststellungen hielt der Betr. auf der Autobahn mit seinem Pkw bei einer Geschwindigkeit von 117 km/h zum vorausfahrenden Fahrzeug lediglich einen Abstand von 14,40 m und damit von weniger als 3/10 des halben Tachowertes ein. Die polizeiliche Abstandsmessung erfolgte mittels einer Videoabstandsmessanlage unter Einsatz einer mit dem PAL-Farbsystem betriebenen Videokamera des Typs SANYO CCD in Kombination mit einem geeichten Charaktergenerator mit Zeiteinblendung vom Typ CG-P 50 E des Geräteherstellers JVC/Video Service Piller.
Die vom Einzelrichter gemäß § 80 a III 1 i.V.m.I OWiG auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern (§ 80 a Abs. 2 OWiG) übertragene Rechtsbeschwerde des Betr., mit der er im Rahmen der Sachrüge das Messverfahren beanstandete, blieb im Ergebnis ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der statthaften und auch im Übrigen zulässigen Rechtsbeschwerde hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben (§ 349 II StPO i.V.m. § 79 III 1 OWiG). Zur Begründung nimmt der Senat zunächst auf die zutreffende, durch die Gegenerklärung des Verteidigers nicht entkräftete Stellungnahme der GenStA Bezug. Die Rechtsbeschwerde gibt dem Senat jedoch die Gelegenheit, zu der Verwendung des Charaktergenerators vom Typ CG-P 50 E im Rahmen des von der bayerischen Polizei bis vor dem 05.07.2007 praktizierten mobilen Brückenabstandsmessverfahrens ergänzend wie folgt Stellung zu nehmen:
1.
Für den Charaktergenerator CG-P 50 E wurde durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) mit Zulassungsschein-Nr. 1.23-3242.61/P50E (PTB-Zulassungszeichen: 18.13/88.04) am 05.01.1988 die Bauartzulassung zur Eichung erteilt. Bei dem Charaktergenerator handelt es sich um einen Videobildzähler, wobei sich die Zeitmessung aus dem Videobildtakt der Kamera und der Zählfunktion des Charaktergenerators ergibt. Nach der JVC-Bedienungsanleitung, die zu den Bauartzulassungsunterlagen gehört, ist der Charaktergenerator nur in Kombination mit JVC-Videokameras verwendbar. Für die Verbindung der Videokamera mit dem Charaktergenerator einerseits und einem Videorekorder andererseits sieht diese Bedienungsanleitung Kabel mit einer Länge von 30 cm bzw. 2,5 m vor. Demgegenüber verwendete die bayerische Polizei - soweit ersichtlich durchgängig - Kameras anderer Hersteller (u.a. der Marken Panasonic, SANYO und SONY) mit der Folge, dass bereits hierdurch - unabhängig von den regelmäßig eingesetzten Kabellängen von mehr als 3 m - die Voraussetzungen der genannten Bauartzulassung als wesentliche Grundlage zur Anerkennung eines standardisierten Messverfahrens verfehlt wurden.
2.
Erfüllt die Geschwindigkeits- oder Abstandsermittlung die Voraussetzungen eines standardisierten Messverfahrens, genügt es im Regelfall, wenn sich die Verurteilung auf die Mitteilung des Messverfahrens und die nach Abzug der Messtoleranz ermittelten Ergebnis-Werte stützt. Denn mit der Mitteilung des angewandten Messverfahrens sowie des berücksichtigten Toleranzwertes wird im Rahmen eines durch Normen vereinheitlichten (technischen) Verfahrens eine für die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts in aller Regel hinreichende Entscheidungsplattform zur Beurteilung einer nachvollziehbaren tatrichterlichen Beweiswürdigung geschaffen (jeweils für Geschwindigkeitsüberschreitungen rechtsgrundsätzlich BGHSt 39, 291/301 ff. und 43, 277/282 ff.; vgl. ferner neben BayObLGSt 1993, 55/56 f. u.a. Senatsbeschlüsse vom 14.02.2006 - 3 Ss OWi 1402/05; vom 20.04.2006 - 3 Ss OWi 464/06; vom 01.06.2006 - 3 Ss OWi 716/06 sowie eingehend zur Bedeutung des ,standardisierten' Messv...